SLOMO

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PARIS

Morgen fliege ich nach Paris. Alleine. Ohne Kind, ohne Mann, nur ich, fünf Tage lang. Vor zwei Wochen kam eine Mail mit der Frage, ob wir nicht Lust auf einen spontanen Wohnungstausch hätten, Prenzlauer Berg gegen St. Germain. Ich hatte. Wie immer, wenn mir jemand Paris in mein Herz träufelt, aus keinem besonderen Grund, einfach nur, weil Paris so ist wie Paris. Der Mann hatte keine Lust mit Kind im Februar zu verreisen, zu kalt, zu ungemütlich, zu viel Zeug auf der To-Do-Liste. Stimmt ja alles, was er sagte. Vor allem, was er noch sagte: Flieg doch alleine, ich fahr mit Fanny nach Hamburg, sie muss ihre Halbgeschwister sowieso mal wieder sehen, und wo mein Schreibtisch steht, ist ja egal, schaffen wir schon. Wirklich? Wirklich. Wirklichwirklich? Ich glaube, du kannst es gebrauchen. Und auch das stimmte. Wenn ich mich nach etwas gesehnt habe in meinem Leben mit Kind, in dem so viele Sehnsüchte erfüllt sind, dann war es genau das: nach der Schwangerschaft und vierzehn Monaten mit Baby mal wieder das Gefühl zu haben, verantwortungslos sein zu dürfen. Auszuschlafen, so lange ich will, so lange der Körper will (keine Ahnung, ob er es noch kann). In meiner eigenen Zeit zu leben, ein paar Tage lang. Vor mich hinschauen, hingehen, hintrotten, hintrödeln zu können. Ohne ein Auge, ein Ohr, zwei Augen, zwei Ohren, meine Seele bei Fanny zu haben. Keine Alarmanlage sein zu müssen. Nicht die Pflicht zu haben, darauf zu achten, dass da bloß keine Ecken, Kanten, Abgründe sind, an denen sie sich verletzen könnte.

Das bekomme ich jetzt. Ich bin dankbar dafür. Ich hab Angst davor. Ich freue mich unbändig und will nicht weg. War doch noch nie länger von meinem Mädchen als ein paar Stunden getrennt. Vermisse sie schon. Obwohl sie doch noch gar nicht in Hamburg ist und ich noch nicht in Paris, sondern immer noch auf ihrem Hochstuhl sitzt und ihre Haarspange im Obstbrei badet, dadada. Wie soll ich es aushalten ohne meine Herde? Ich weiß, dass meine Herde es ohne mich aushalten wird, aber ich ohne sie? Nein, ich bin keine Rabenmutter. Ich bin nur eine Frau in den Dreißigern, die von ihrem Kind begluckt werden will. Aber wir werden skypen. Falls Mademoiselle Fanny denn Zeit für mich hat.

(Und obwohl meine Liste mit den Paris-Adressen schon lang ist, kann sie sehr gerne noch etwas länger werden. Falls jemand also noch einen guten Tipp hat: Ich würde mich so freuen).