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UND WIE MACHST DU DAS, JULE?


Name: Jule Pumpe
Alter: 32 Jahre
Mutter von: Piet, fast drei und Bo, gerade eins geworden.
Stadt: Berlin
Beruf: freiberufliche Hebamme

Wie ist bei dir die Kinderbetreuung organisiert? Bist du zufrieden damit?
Mein erstes Kind ist seit Januar in einem kleinen, feinen, montessori-orientierten Kinderladen mit 15 Kindern, altersgemischt. Ich bin da sehr glücklich und kann jeden Morgen mit einem guten Gefühl "bis heute Mittag" sagen. Es ist schön zu sehen, was Piet dort an Selbstständigkeit und Sozialem lernt, sein Lebensrucksack wird dort bunt befüllt mit allerlei Dingen verschiedenster Art. Bo bleibt bis nächsten Sommer noch bei uns zu Hause. Tim und ich teilen uns die Kinderbetreuung, er ist freischaffender Illustrator und Grafiker und arbeitet seit einem Jahr als Freelancer. Die Tage sind klar strukturiert, mein Beruf bringt da eine gewisse Unruhe rein, da ich auch oft außerplanmäßig nochmal los muss. Manchmal wünschte ich mir meine Geschwister hier in Berlin, oder Freunde im Haus, denen man ab und an das Babyphone oder eine Schüssel Popcorn und eine DVD aufs Sofa legt um nochmal kurz ums Eck zu gehen. In Berlin rouliert doch jeder sehr für sich und in seinen vier Wänden, was den Alltag oft erschwert.

Unter welchen Bedingungen arbeitest du? Wie funktioniert das für dich?
Ich bin freiberuflich als Hebamme unterwegs. Ich habe immer sehr schnell wieder weiter gearbeitet, was dank flexiblem Mann immer gut geklappt hat. Geburten habe ich erstmal hinten angestellt - auch weil es sich finanziell leider nicht mehr lohnt. Ich finde es immer wieder einen großen Spagat zwischen allem: Kinder, Beziehung, Arbeit, Alltag. Ich habe da auch nach drei Jahren noch keinen richtig guten Weg gefunden.

Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei dir aus?
Morgens ist es uns ganz wichtig, dass wir alle gemeinsam in den Tag starten: Frühstück, kurz basteln, spielen, alle in die Klamotten. Dann bringe ich Piet zum Kinderladen. Anschließend einige schnelle Besorgungen, Spielplatz oder zu Hause spielen mit Bo. Während des Mittagsschlafes mache ich ein bis zwei Hausbesuche. Tim arbeitet von zu Hause, wenn Bo aufwacht, essen beide Mittag. Ich hole dann erst Bo von zu Hause und dann Piet vom Kinderladen ab. Gemeinsam vertrödeln wir die Nachmittage. Danach: Abendbrot und in Ruhe die kleinen Kerle ins Bett, dann noch einmal Hausbesuche oder Büroarbeit, manchmal auch einfach: Füße hoch - der Tag ist ja dann oft schon 14 Stunden alt.

Wieviel Zeit hast du für dich - jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben? Reicht sie dir?
Puuuuh, das ist gerade verdammt wenig. Immer mal hier und da ein ruhiger Moment - den ich aber oft mit der Zeit im Rücken verbringe, das muss ich gerade lernen. Irgendwie reicht es, oft aber auch nicht. Mich rettet da oft an schwierigen Tagen, dass alles eine Phase ist und nichts unendlich. Jetzt sind die Kinder klein, es wird wieder anders.

Hast du dir das Muttersein so vorgestellt wie es ist? Was hast du dir anders vorgestellt?
Ich war überrascht davon, zwei Schreikinder in zwei Jahren zu bekommen - ich habe mit vielem gerechnet, damit überhaupt nicht. Das hatte ich mir tatsächlich anders vorgestellt. Ich hatte wenig Vorstellung davon, wie es sein würde, das Muttersein. Ich hab das auf mich zukommen lassen - auch, um nicht riesige Erwartungen zu haben. Ich wusste berufsbedingt theoretisch, was da auf mich zukommt, aber die Praxis ist ja doch sehr speziell - oder besser: individuell.

Was empfindest du als besonders anstrengend?
Nachts nie mehr als vier Stunden Schlaf zu bekommen und die oft noch mit Unterbrechung.

Was macht dich besonders glücklich?
Ach, das ist sehr viel: Wenn wir zu viert am Tisch sitzen und alle entspannt ihre Käsebrote mümmeln. Wenn alle beide ruhig atmend im Bett liegen und schlafen. Die kleinen Geschichten, die Piet beginnt zu erzählen und seine kleine Welt nach außen zu bringen. Dass wir eine Familie mit zwei gesunden Kindern sind. Jeden Tag zu beobachten, wie der große und der kleine Bruder in ihre Rollen wachsen und wie sehr sie sich lieben - ohne, dass wir uns da groß einmischen. Das Leben nochmal auf Reset stellen zu dürfen und viele kleine und große Schritte nochmal machen zu können - nur aus einer anderen Perspektive. Dass ich das alles nicht allein stemmen muss und Tim und ich uns immer wieder durch schwierige und sonnige Zeiten schiffen. Ja, das macht alles irgendwie glücklich und stolz.

Welches Verhältnis hast du zum Vater deiner Kinder? Wie haben die Kinder dieses Verhältnis verändert?
Wir sind mit Piets Geburt das erste Mal auch zusammen gezogen. Das war überhaupt nicht leicht, zumal Tim bis dato noch in Frankfurt/ Main gearbeitet hat und seinen kompletten Freundeskreis dort gelassen hat. Dann kam Piet. Und mit ihm das Gebrüll, das 1,5 Jahre nicht aufhörte. Wir waren da oft am Ende und am Rande, aber es hat uns zusammen geschweißt. Das Gefühl zueinander ist fest und tief - und viel zu oft sind wir auch viel zu müde, um irgendwie um 22 Uhr noch romantische Komplimente hin und her zu tauschen. Dann fühlt es sich manchmal verrückt fremd an. Zusammen schaffen wir viel, auf stille, klare Weise. Wir sind und werden immer klarer miteinander. Kommunikation ist alles, das hat sich geändert: die Dinge landen direkt auf dem Tisch und wir versuchen, ein Lösung zu finden. Manchmal dauert es einige Tage, bevor es weiter gehen kann. Vorher sind wir oft rumgeeiert, haben Dinge schleifen lassen.

Hast du das Gefühl, dass die Gesellschaft, die Politik, Menschen mit Kindern ausreichend unterstützt? Was müsste deiner Meinung nach besser werden?
Irgendwie ja und oft auch nein. Ich bin da gerade etwas belastet, weil ich denke: wenn es sich bald keine Hebamme mehr leisten kann, arbeiten zu gehen, was passiert dann mit den werdenden Eltern? Ist die Geburt nicht ein solch prägender erster Schritt ins Familienleben? Wie sehr wird der Grundstein gelegt, ob die kommende Zeit positiv oder negativ belastet ist. "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne". Wenn die Politik nicht aufpasst, wird es in den Kreißsälen bald wieder sehr kalt - und mehr Kinder will man da bestimmt auch nicht bekommen. Das Zweite ist, dass ich gar nicht weiß, ob die Politik etwas ändern muss - vielmehr sollte die Gesellschaft wieder mehr zum Ursprung kommen. Kinder sind zu einem Projekt geworden. Ist das gesund? Unsere Eltern haben uns überall mit hingenommen, wir Kinder haben uns an den Rhythmus angepasst. Heute drehen sich die Eltern um die Kinder und passen sich dem Kinderrythmus an. Beides ist extrem, aber es zeigt glaube ich ganz gut, was gerade los ist. Die Gesellschaft sammelt Statussymbole und danach wird beurteilt, ob man es gut oder weniger gut macht. Das macht es schwer, den Alltag zu stemmen. Und die Politik schläft oft: siehe Kita-Plätze für jeden unter Dreijährigen.

Was hast du durchs Muttersein über dich und die Welt gelernt, dass du vorher nicht wusstest?
Wie unglaublich unangenehm Mütter untereinander sein können. Wir sitzen doch alle im gleichen Boot - aber anstatt zusammen zu rudern, wird dem Anderen entweder das Ruder geklaut oder ein Loch in den Rumpf gebohrt. Dass man sich durch vieles allein kämpfen muss. Ich höre sehr auf meinen Bauch, schaue, was die Situation ist und handele dann. Den Tag zu nehmen, wie er kommt - mit all seinen 100 Planänderungen.

Du hast 48 Stunden kinderfrei: was tust du?
Erstmal wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wohnung laufen, was mache ich nur? Kaffee trinken. ALLEIN. Noch einen Kaffee trinken. Einen Flug nach Paris buchen und 24 Stunden nicht schlafen. Dort dann: Essen, Ausstellungen besuchen, Leute beobachten, mich treiben lassen. In jedes Geschäft gehen und alles angucken, stundenlang. Auf den letzten Drücker zurück. Ja, ich glaube, das würde ich machen...

Was würdest du einer Frau raten, die sich fragt, ob sie Mutter werden soll?
Ich kann da nichts raten. Vielleicht eher so: Ich bin da so reingestolpert, und bin froh, dass es mir so passiert ist. Es gibt Tage, da möchte ich Hippie auf Gomera werden - Hauptsache weg. Aber an viel mehr Tagen falle ich um vor Glück. So wie es ist, ist es gut und für mich der richtige Weg.