SLOMO

View Original

UND WIE MACHST DU DAS, ISABELLE?


Name: Isabelle (von Applewood House)
Alter: 40
Mutter von: Charlotte (11), Louisa (9) und Josephine (5)
Stadt: In der Nähe von Bielefeld
Beruf: Dipl. Ing., Geschäftsführerin bei einem Möbelhersteller

Wie ist bei dir die Kinderbetreuung organisiert? Bist du zufrieden damit?
Ich habe bei allen drei Kindern immer sofort nach dem Mutterschutz wieder gearbeitet. Allerdings war ich in der glücklichen Lage, das Baby mit ins Büro zu nehmen. Dort gab es dann eine Babyecke und da meine Töchter zum Glück alle sehr friedliche Babys waren, ging das die ersten Monate sehr gut. Nach ungefähr einem halben Jahr ging es dann, jedenfalls bei den beiden größeren, ab zur Tagesmutter. Unsere zweite Tochter kam dann gerade zur Tagesmutter, als unsere Große mit genau drei in den Kindergarten kam. U3-Plätze gab es zu der Zeit (2003) hier bei uns in der westfälischen Provinz noch so gut wie gar nicht oder nur mit abwegigen Wartezeiten. Als unsere dritte Tochter geboren wurde, haben wir uns den absoluten Luxus gegönnt. Anstatt ein Kind nachmittags aus der Schulbetreuung, ein Kind aus dem Kindergarten und noch ein Kind von der Tagesmutter abholen zu müssen (alleine der logistische Aufwand!) kam dann eine ganz liebe Kinderfrau an vier Tagen die Woche zu uns nach Hause und betüddelte erst unsere Kleinste, holte die Großen ab, wärmte das von mir vorbereitete Esen auf und sorgte für das nötige Entertainment bis ich nach Hause kam. Wie gesagt, ein Luxus. Rechnet man allerdings die Beiträge für die Ganztagesbetreuung in der Schule, die Ganztagesbetreuung im Kindergarten und die Kosten für die Tagesmutter zusammen und bedenkt dann auch noch den Betreuungsschlüssel und dass die Kinderfrau leidenschaftlich gerne bügelt...

Da das Leben als Familie aber nicht statisch ist, sondern ein langer ruhiger (und manchmal stürmischer) Fluß, verändert sich auch immer wieder etwas. Nach den Sommerferien kommt unsere Kleinste in die Schule, die Große geht schon seit zwei Jahren auf die weiterführende Schule mit längeren Unterrichtszeiten, aber ohne Betreuungsmöglichkeiten. Entsprechend fängt die Kinderfrau jetzt ein bisschen mehr die Randstunden auf und hilft an zwei Tagen im Haushalt mit.

Unter welchen Bedingungen arbeitest du? Wie funktioniert das für dich?
Als Geschäftsführerin im Familienunternehmen kann ich mir natürlich ganz andere Freiheiten herausnehmen als eine "normale" Angestellte. Andererseits muss ich immer ansprechbereit sein. Einen klar definierten Feierabend habe ich nicht. Und möchte man in den Ferien auch mal an einem Werktag mit den Kindern in den Zoo gehen, weil die ja schließlich frei haben, so hängt man dann doch zwischendurch am Handy und löst Probleme. Als mittelständischer Unternehmer macht man ständig einen Spagat zwischen Kunden und Lieferanten.

Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei dir aus?
Um sechs Uhr klingelt der Wecker. Fertigmachen, Frühstück in Ruhe mit der ganzen Familie. Das muss sein. Und mit der Tageszeitung. Um 7 Uhr muss der Papa los, 7:20 Kind eins mit dem Fahrrad, Kind 2 und ab August Kind drei um 7:30 zu Fuß zur Schule. Mama sitzt dann um 8 im Büro (zum Glück kaum fünf Minuten Fahrt). Je nach Wochentag ist dann meist gegen drei erstmal Schluss im Büro, dann fangen die Fahrdienste an. Ballett, Musikschule, Reiten, Tennis, Verabredungen... Ab 19 Uhr wird es dann ruhiger, ich koche dann unser Abendessen und meistens backe ich noch irgendetwas nebenbei. Die Kinder essen dann schon mal und gehen nacheinander ins Bett. Meistens kommt dann auch gerade mein Mann nach Hause und liest noch ein bisschen mit den beiden Kleineren. Diese Vorlesezeit war und ist uns schon seit dem Babyalter der Kinder wichtig und fällt nur im Notfall einmal aus. Unsere Große kommt ja demnächst schon in die 7. Klasse und darf meistens abends noch eine Weile mit uns herumlümmeln. Mein Mann und ich essen dann in Ruhe und gehen grundsätzlich zu spät ins Bett.

Wieviel Zeit hast du für dich - jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben? Reicht sie dir?
Zeit für mich? Wie man es nimmt. Eigentlich bin ich entweder am arbeiten oder mit den Kindern beschäftigt. Aber das heißt ja nicht, dass das nicht Zeit für mich wäre. Das bin ja immer ich, und ich habe mir das schließlich so ausgesucht mit Job und drei Kindern. Und das fühlt sich an den allermeisten Tagen auch gut an, so wie es ist. Sicher gibt es auch Tage, an denen mal alles zu viel wird, alles nervig ist und die Laune im Keller. Aber eher selten. Wir sind hier alle eher Frohnaturen. Mir reicht es, zwischendurch mal eine Runde laufen zu gehen (auch wenn es oft nur fürs Laufband reicht, weil ich ja schlecht die Kleine alleine lassen kann). Und ich fotografiere viel in meiner Freizeit, da sind die Kinder dann halt einfach dabei. Sicher gehe ich auch öfter mal mit Freunden aus, am Wochenende ist aber ein Abend in der Regel "Familienabend" mit den Kindern, mit gutem Essen, manchmal einem Spiel, manchmal mit einem guten Film, oft mit Freunden.

Hast du dir das Muttersein so vorgestellt, wie es ist? Was hast du dir anders vorgestellt?
Ganz ehrlich? Ich habe mir gar nichts vorgestellt. Wir haben uns einfach Kinder gewünscht. Und dann alles auf uns zukommen lassen. Wie wunderschön es ist, Mutter zu sein, diese bedingungslose Liebe, die man empfindet, dieser Duft, diese Rührung, diese Sentimentalität und dieses eigenartige Gefühl, sein Herz außerhalb des Körpers zu tragen, niemand vermag sich das auch nur im Ansatz vorzustellen. Und dass man als Mama für den Rest seines Lebens bei jeder Fernsehschnulze heulen muss.

Was empfindest du als besonders anstrengend?
Dauergenörgel und Streit unter den Kindern. Es gibt Tage, da scheinen sich immer zwei von drei Kindern zu streiten. Furchtbar. Sehr anstrengend war die Zeit, in der unsere Große zwei war, die nächste gerade geboren (und die schlief nicht nach drei Wochen durch wie die große Schwester), wir ein Haus gebaut und halt nebenbei noch gearbeitet haben. Da denke ich im Nachhinein manchmal: wie um alles in der Welt haben wir das geschafft?

Was macht dich besonders glücklich?
Klebrige kleine Kinderhände mit Gänseblümchensträußchen. Stürmische Umarmungen. Das stundenlange Betrachten von schlafenden Kindern, gerne Arm in Arm mit meinem Mann. Wenn alle zusammen spielen und lachen. Wenn meine Große uns ganz alleine einen Kuchen backt. Und vor allem: dieses Glück zu haben.

Welches Verhältnis hast du zum Vater deiner Kinder? Wie haben die Kinder dieses Verhältnis verändert?
Wir sind schon seit über 20 Jahren zusammen und waren uns schon als Studenten sicher, einmal eine Familie haben zu wollen. Und jetzt genießen wir das beide sehr. Auch wenn wir bei einigen kleinen Details in der Erziehung manchmal nicht ganz einer Meinung sind, so halten wir uns doch gegenseitig für die beste Mama und den besten Papa der Welt. Die Zeit, die wir jetzt mit den Kindern haben, ist uns beiden sehr wichtig. Ruckizucki sind die Kinder groß, die letzten knapp 12 Jahre, seitdem wir Eltern sind, sind geradezu verflogen. Meinen Mann als Vater zu erleben, hat ihn für mich noch viel liebenswerter gemacht (falls das möglich ist).

Hast du das Gefühl, dass die Gesellschaft, die Politik, Menschen mit Kindern ausreichend unterstützt? Was müsste deiner Meinung nach besser werden?
Leider fühlt es sich für die meisten jungen Familien so an, als wären sie alleine auf weiter Flur. Die Kinderbetreuung zu organisieren kann zum Kraftaufwand werden. Die Kitas und Schulen können sich finanziell kaum über Wasser halten, es wird einfach nicht genug in Bildung investiert. Und was nützt ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Einjährige, wenn auf der anderen Seite das Geld für ausreichend Personal fehlt? Die Qualität der Kinderbetreuung wird von der Politik völlig außer Acht gelassen. Einerseits wird nach einer akademischen Ausbildung für Erzieherinnen geschrien, auf einmal sollen dann aber Langzeitarbeitslose mit einer verkürzten Umschulung ausreichend qualifiziert sein, die nächsten Pisa-Gewinner heranzuzüchten. Lehrstellen fehlen an den Schulen, die Klassen werden immer größer, der Unterrichtsausfall nimmt exorbitante Ausmaße an. Und dann noch die Diskussionen um die "Herdprämie". Dabei waren wir doch vor ein paar Jahren auf einem so guten Weg! Als Ingenieurin und Unternehmerin bin ich immer für Zahlen und Fakten und auch dafür, dass sich etwas rechnen muss. Aber es gibt auch ideelle Werte. Die kosten auch etwas, sind aber letztendlich auch von Wert! Und welchen volkswirtschaftlichen Schaden eine mangelhafte Bildungspolitik anrichten wird, müsste in Zeiten der Diskussion über Facharbeitermangel und die Vergreisung der Gesellschaft eigentlich jedem klar sein.

Was hast du durchs Muttersein über dich und die Welt gelernt, dass du vorher nicht wusstest?
Wie sehr man das Leben lieben kann! Wie wunderbar manchmal kleine Dinge sind, die man sonst vielleicht übersehen hätte. Wie einzigartig bedingungslose Liebe ist.

Du hast 48 Stunden kinderfrei: was tust du?
Ähmmmm. Ich würde wohl im November zur "Bloggst"-Konferenz nach Hamburg fahren. Oder zwei Tage London, einmal in Ruhe durch alle Museen und Gallerien wandern. Und meine Familie vermissen.

Was würdest du einer Frau sagen, die sich fragt, ob sie Mutter werden soll?
Wenn du bereit bist für das größte Abenteuer deines Lebens, dann los! Sicher, es ist nicht immer ein Honigschlecken, du wirst oft müde sein und ratlos, unsicher und voller Sorgen. Aber du schaffst das. Vertrau auf dich. Egal was ist, du bist die beste Mutter, die dein Kind haben kann! Denn niemand liebt es so, wie du es liebst. Und lass dich nicht verrückt machen von Verwandten, von Freunden, von Nachbarn, von anderen Müttern, Erziehern und Lehrern und der Gesellschaft. Euer Leben muss euch passen, niemand anderem. Und ob du fünf Jahre stillen willst, arbeiten möchtest oder nicht arbeiten möchtest, jeden Tag Hausmusik machen möchtest, Brei selbst kochen oder lieber im Gläschen kaufst, das geht doch keinen etwas an. Bleib du selbst, auch als Mutter. Erfinde dich nicht neu, lass dich nicht verbiegen, sonst machst du dich verrückt. Hab ein dickes Fell, was Ratschläge von Leuten, von denen du gar keine Ratschläge bekommen möchtest, angeht. Hör auf dein Bauchgefühl. Und in den allermeisten Fällen wird alles gut. Manchmal anders als erwartet, aber gut.

Vielen Dank, liebe Isabelle!
Hier sind die Fragebögen von Jule, Kati und Indre.