SLOMO

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DEZEMBER 2014


Mal wieder zu Hause gewesen, das schon so lange nicht mehr mein Zuhause ist und doch immer bleiben wird, der Norden, Oldenburg (beim Aussteigen denke ich jedes Mal wie anders diese Stadt doch riecht, ich denke immer, dass die Luft schon nach Meer riecht, was natürlich Blödsinn ist, aber das stört ja nicht). Das Zugfahren war schön mit ihr, irgendwann wollte sie alleine in ihrem Buch herumblättern, und dann saßen wir da, sie auf dem Sitz mir gegenüber mit ihrem „Bitte anstellen!”-Buch, und ich mit „Gone Girl”, ein paar Minuten Fast-Stille, nur Blättern und Rattern, irgendwann setzte sich eine Frau zu uns, die vier erwachsene Kinder hat, „die Zeit vergeht so schnell”, sagte sie und wir seufzten fast gleichzeitig. Das merkwürdige Gefühl, dass es einige Orte meiner Kindheit und Jugend nicht mehr gibt, klar, nach all den Jahren, die Stadt wartet ja nicht auf ihre ausgewanderten Teenager, aber in meinem Kopf ist sie noch dieselbe wie damals, als ich das Auto vollpackte, um nach Mainz zu ziehen, irgendwie erwarte ich auch ständig, dass mir Menschen von früher begegnen, die dann auch noch haargenau so aussehen wie früher, aber da, wo mal das Hallenbad war, in dem ich meinen Freischwimmer gemacht und fast mit R. geknuscht habe, steht jetzt ein Einkaufszentrum. Auf der Rückfahrt hat sie bitterlich geweint, der Hund meiner Schwester, vor dem sie bis zum Morgen unserer Abfahrt immer Sicherheitsabstand gehalten hatte, um ihn dann plötzlich stürmisch zu streicheln, ging ihr nicht mehr aus dem Herz, die Schaffnerin kam zweimal nach ihr gucken.

In der Woche darauf: Amsterdam. Vier Tage alleine in einer fremden Stadt, rausgeschmissen aus jedem Koordinatensystem, Alleinsein nach dem Wirsein, rumrennen, wie ich es nur mache, wenn ich alleine bin, ich glaube, das würde keiner ertragen, meine Kilometergänge, ich mag nicht aufhören, will immer noch mehr sehen, weil ich das noch-mehr-Sehen so schön, so aufregend finde. Und in dieser Stadt habe ich so viel gefunden, vor allem Klarheit. Dann Weihnachten, so faul, so langsam und verfuttert, dass die Tage einfach ineinanderflossen, irgendwann habe ich nachgeguckt, was für ein Tag eigentlich ist, es war ein guter. Nur getan, was sich eben so ergeben hat, "West Wing" geguckt, endlich mal wieder gelesen, Rotkohl nach dem Rezept meiner großen Schwester gekocht, draußen nach dem Weihnachtsmann gesucht, den wir nur um Sekunden verpassten, er hat sogar den Brief mitgenommen, den sie ihm an die Fensterscheibe geklebt hatte, Geschenke ausgepackt, „Liebe braucht keine Ferien” gesehen, und „Tatsächlich...Liebe”, am nächsten Tag lief er nochmal im Fernsehen und ich habe ihn gleich noch einmal geschaut, eine Wunderkerze angezündet und 2015 mit ihr geschrieben, einen Flügel aus Blei gegossen, mit Marlene und Melanie einen Neujahrsburger gegessen, was für eine schöne Tradition, darüber geredet, was wir uns vornehmen für dieses Jahr, festgestellt, dass ich mir eigentlich gar nichts so wirklich vorgenommen habe, außer mehr Spaß zu haben dieses Jahr, ein bisschen großzügiger mit mir zu sein und mutig (was dann natürlich doch große Dinge sind, aber keine, die man auf eine Liste schreiben und abhaken kann). Den ersten Arbeitstag des Jahres damit begonnen, mir drei Dinge in den Kalender zu schreiben, die ich diese Woche machen werde und auf die ich mich freue, klitzekleine Dinge, aber sie haben diesen ersten Montag sehr grinsig gemacht.