EINE LIEBESLISTE MIT DER REGISSEURIN BIRTHE TEMPLIN
Heute gibt es eine neue Liebesliste. Ausgefüllt hat sie Birthe Templin – Regisseurin, Autorin und Mutter von zwei Jungs. Wenn ich Birthe beschreiben sollte, fallen mir nur Wörter ein, die nicht im Duden stehen. Etwa dass sie eine Mitreißerin ist, weil man in ihrer Gegenwart sofort weniger verzagt ist. Oder: dass sie lebenswarm ist, eine, die keine Angst davor hat, dem Leben zu zeigen, dass sie es mag. Oder dass sie weltwach ist.
Das merkt man auch ihren Filmen an. „The Sunshine you give” zum Beispiel über den Sänger Bobby Hebb und seinen Song „Sunny”. Oder „Was bleibt”, ein Dokumentarfilm, der davon erzählt, wie die Familien von Opfern und Tätern sich mit dem Holocaust auseinandersetzen. Birthe ist auch nach Argentinien gereist, um dort Herrn F. zu treffen, einen Nazi und Offizier der Waffen-SS, der sich nach dem zweiten Weltkrieg abgesetzt hat und seither in Südamerika ein unbehelligtes Leben führt. „Offenes Geheimnis” befindet sich gerade in der Postproduktion.
Ein bisschen mehr Welt hat Birthe dieses Jahr auch auf einer Reise entdeckt: Von Ende März bis Ende August ist sie mit ihrem Mann, ihren beiden Söhnen und einem Bulli durch Europa gefahren – von Sizilien bis hoch nach Norwegen. Hier zeigt sie ein paar Bilder dieser Reise und erzählt von den Dingen, die ihr wichtig sind.
1) Ein Buch, das dir viel bedeutet?
Ein Notizbuch von meiner Oma, in das sie ihre Gedanken, Einkaufslisten und was auch immer eingetragen hat.
2) Ein Film, der lange bei dir geblieben ist?
„Cinema Paradiso” von
Giuseppe Tornatore. So etwas Schönes. Wenn ich nur den Auftakt der Musik von
Morricone höre, fange ich aus Prinzip schon an zu heulen. Der Film spielt in einem kleinen Fischerdorf auf Sizilien Mitte der 50er-Jahre und erzählt von dem Verhältnis des Kinobetreibers Alfredo zu dem kleinen Jungen Toto, der im Film erwachsen wird. Aber wie er davon erzählt. Es ist eine Ode an das Leben, mit all seinen Facetten. Und eine Zelebration des Kinos. Für mich einer der größten Filme überhaupt.
3) Ein Song, der dir unendlich gute Laune macht?
„First Day of my Life” von Bright Eyes.
4) Was in deinem Kleiderschrank ziehst du immer wieder an?
Eine Strickjacke von
Wolfen. Eine schwarze Second Skin von
Cheap Monday. Die Jeans sitzt wie ´ne Eins, die Farbe hält sich aber leider nicht so, wie ich es gerne hätte. Macht nichts, ich färbe sie einfach alle zwei Monate nach.
5) Und was würdest du niemals wegwerfen, obwohl du es schon lange nicht mehr anziehst?
Meine geliebten Vintage-Stiefel. Ich trug sie durch meine gesamte erste Schwangerschaft und auch in dem Moment, als einen Monat vor Geburtstermin unverhofft die Fruchtblase platzte. Wir waren unterwegs zum Flohmarkt. Die Stiefel füllten sich, langsam aber sicher, und platschend stand ich zwei Stunden später an der Rezeption der Anthro-Klinik. Warum ich sie auf dem Weg nicht ausgezogen habe, ist mir immer noch ein Rätsel, die Krankenschwester jedenfalls tat so, als sei es das Normalste von der Welt. Heute liegen die seitdem getauften Fruchtwasser-Boots gut verpackt im Keller. Ich werde sie bestimmt nicht wieder anziehen, wegwerfen aber auch nicht.
6) Wonach duftest du gerne?
Nach „Coco” von
Chanel. Nach Shampoo von
Aveda. Nach Nivea-Sonnencreme. An besonders grauen Tagen im Herbst oder im Winter creme ich mich manchmal extra damit ein.
7) Ein Lippenstift?
Ich trage sehr selten Lippenstift und wenn einen klassisch Roten von
Chanel.
8) Ein Ort, der zu Hause ist?
Für mich ist der Begriff Zuhause eine komplexe Angelegenheit. Sind es doch Menschen, Erinnerungen und Bilder, die sich zusammensetzen, Gefühle von Geborgenheit, ein ‚Alles-ist-gut’-Moment, Gerüche und Geräusche, die für mich einen Ort zu einem Zuhause machen. Meistens fühle ich mich auf Reisen besonders zu Hause. Und dennoch: Ostfriesland. Buenos Aires. Berlin. In Ostfriesland ist es ein bestimmter Straßenabschnitt zwischen Leer und Emden, wo der Horizont noch ein Stückchen weiter wird und ich dann bei meinen Eltern parke und aussteige und die geliebte Nordseebrise mir um die Nase weht. Dann ist am besten noch eine klare Nacht mit 1000 Sternen inklusive aufkommenden Orkanböen. Wat moi. In Buenos Aires habe ich einen Teil meiner Kindheit verbracht und als ich nach vielen Jahren zurückkehrte, hat mich ganz entgegen meiner Erwartung der Geruch der Strassengrills, der
Parillas, umgehauen. Und ich habe mich endlich wieder komplett gefühlt.
In Berlin lebe ich jetzt seit 13 Jahren. Es gibt ein Zuhause ohne und ein Zuhause mit Familie. Ohne ist der Berlin-Klassiker: am Sonntagmorgen mit Freunden auf dem Fahrrad durch die leeren Straßen eiernd, keiner sagt was, die ersten Sonnenstrahlen blenden und es herrscht eine betörende Ruhe. Hoffentlich erlebe ich das auch noch mit 60. Mit: Ich komme die Treppe hoch. Lehne meinen Kopf ganz leise gegen die Haustür. Lausche, was meine kleine Familie im Inneren der Wohnung so macht. Home. Sweet. Home.
9) Und an welchen willst du unbedingt noch reisen?
Überall hin. Mein momentaner Favorit: eine kleine Insel im Südpazifik namens
Tonga. Vor dieser Insel ziehen sich für drei Monate im Jahr Wale zurück, um ihre Nachkommen zur Welt zu bringen. Man kann sie aus nächster Nähe beobachten. Und: Seit Jahren schon möchte ich zum
Burning Man Festival.
10) Was gehört zu einem guten Abend?
Meine liebsten Menschen an einem großen Tisch, mit gutem Essen, viel Crémant und dem Gefühl von Zeit.
11) Und zu einem guten Morgen?
Aufzuwachen mit meinem Mann und den Kindern in einem Bett.
Aufzuwachen mit meinem Mann ohne Kinder im Hotelzimmer.
Beides sehr gut.
12) Ein Gefühl, das du magst?
Leidenschaft. Was wäre man ohne. Dabei muss es überhaupt nicht die große Leidenschaft sein, auch die kleinen Leidenschaftsgefühle zwischendurch bereichern das Leben ungemein.
13) Welcher Gegenstand war dir mit sechs wichtig? Mit 16? Und heute?
Mit 6: Mein Pixi, ein Reststück von einem Kissenbezug. Als ich mit sechs nach Argentinien gezogen bin, hat mein Pixi mir viel Halt gegeben. Es konnte übrigens auch sprechen.
Mit 16: Meine alte Nikon.
Heute: Seitdem meine Kinder da sind hat sich vieles verschoben – unter anderem auch die Bedeutung, die ich Gegenständen zumesse. Gibt es einen, der mir wirklich wichtig erscheint? Mir fällt gerade keiner ein. Die Gesundheit, als Gegenstand verpackt.
14) Welchen Wunsch wirst du dir nie abgewöhnen?
Im Süden direkt am Strand zu wohnen.
15) Worauf fühlt sich deine Haut am wohlsten?
Auf warmem Sandstrand.
16) Schönste Sünde?
Ach, die schönste Sünde wäre eine Zigarette zu rauchen. Kann ich aber leider nicht, denn dann rauche ich den Rest meines Lebens.
17) Eine gute Entdeckung der letzten Zeit?
Als ich in diesem Jahr nach unserer fünfmonatigen Elternzeit-Reise mit dem Bulli durch Europa nach Berlin zurückkehrte, hatte ich ganz schön den Blues. Ich fand mich im Buchladen wieder, stand aber eigentlich nur wie Falschgeld herum. Da fiel mein Blick auf
„Rock the Shack”, ein Architekturbuch über besondere kleine Häuser. Baumhäuser, Cabins, Cottages, etc. Ein schöner Band für Herbsttage, von dem man sich inspirieren lassen kann, wenn man mal so ein Häuschen bauen möchte. Ist doch auch eine Idee.
Und eine Wieder-Entdeckung: dass auf die Intuition immer Verlass ist.
Und eine Wieder-Entdeckung: dass auf die Intuition immer Verlass ist.
18) Beste Lehre, die dir zuteil wurde?
Dass es eine Entscheidung ist, glücklich zu sein.
19) Ein schöner Mensch, den du nicht persönlich kennst?
Bei uns in der Straße wohnt ein alter Herr. Jeden Tag führt er seine blinde Frau zum Spazieren aus, und er erzählt ihr dabei, was er sieht.
20) Große Liebe? Klitzekleine, aber unverzichtbare Liebe?
Groß: Meine Kinder. Mein Mann. Meine Familie. Klein: Das Filmemachen. Das Fotografieren. Freihändig Fahrradfahren, neuerdings mit meinem Sohn.
Herzlichen Dank, liebe Birthe.
Alle anderen Liebeslisten sind
hier nachzulesen.
Ich wünsche euch eine gute Woche!
Ich wünsche euch eine gute Woche!
Fotos: Birthe Templin.