SLOMO

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DA, SO DA


Eine mehr. Wie in diesem Kinderbuch, das Fanny hat. Auf jeder Seite taucht noch ein Kind auf, einer mehr, ganz plötzlich, als hätte niemand mit ihm gerechnet. 

Natürlich haben wir mit ihr gerechnet. Wir haben ein Körbchen und Strampler besorgt, unser Leben so organisiert, dass ein Baby in ihm Platz haben würde. Wir haben uns einen ersten und zweiten Vornamen für sie ausgedacht und uns monatelang gefragt, ob sie die richtigen sein würden, um dann bei ihnen zu bleiben, weil sie die richtigen sind, und wir sie in der Zwischenzeit schon so oft mit ihren Namen und Kosenamen angesprochen hatten, dass sie (zu) ihr gehörten. Nestbau, was man eben alles so macht. Und doch bereitet einen nichts, keine Erfahrung, keine Vorstellung oder Vorfreude darauf vor, wie es ist, wenn sie dann da ist. 

Die kleinen Geräusche, die sie macht, ihr Seufzen, Glucksen, Maunzen, Schnorcheln. Die Mimikstürme in ihrem Gesicht. Natürlich wissen wir, dass sie noch nicht wirklich lacht, aber hat sie eben nicht eindeutig gelächelt? Das Wiedererkennen. Sieht sie nicht genauso aus wie Fanny in ihren ersten Tagen, sie könnten Babyzwillinge sein, da ist seine Nase und mein Stirnrunzeln, Mini-Fanny-Hände. Das Kennenlernen. Ihr Blick, wenn sie Hunger hat. Ihre Füße, die noch viel zu klein sind für den kleinsten Strampler. Ihre Fingernägel. Ihr Kopf. Wie kann ein Kopf nach Marzipan riechen? Die Rückkehr der Einhändigkeit. Und der Müdigkeit. Und der Fahrstuhlgefühle. Alles ist neu, aber gar nichts fremd. Alles ist anders, aber ganz genau richtig so. Wie sie auf seiner oder meiner Brust liegt und schläft und die Augen aufschlägt und merkt, dass alles gut ist und wieder einschläft, mit dieser Schwere, die sich ganz und gar fallen lässt. Das Glück des Verschmolzenseins. Nur dass es jetzt noch mehr Glück ist, weil da eine große Schwester ist, die neben ihrem Körbchen sitzt und ihr zusieht, sie streichelt und Baby! sagt und Baby! gleich schon Tricks beibringen will, schau doch mal, sagt sie, so hält man den Schnuller fest. Schau doch mal, so küsst man. Monatelang hat sie mit ihr in meinem Bauch gesprochen, oft hat sie ihr geantwortet, mit einer Bewegung, einem Tritt, sobald ich schwanger genug war, dass man die Fußausbeulungen fühlen und sehen konnte.  Baby! sagte sie irgendwann, jetzt komm. Und sie kam tatsächlich. Eine mehr.