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ZUM ERSTEN MAL: JAPAN

Ich habe diesen Text dreimal begonnen und wieder gelöscht, weil ich nicht die richtigen Worte finde, um diese Reise zu beschreiben, die so vollkommen anders war als alle Reisen, die ich vorher gemacht habe. Und die irgendetwas in mir verrückt hat, ohne dass ich wüsste, was genau eigentlich. Denn Japan ist so vieles und so vieles gleichzeitig. Unglaublich freundlich, zuvorkommend und elegant. Geordnet, organisiert und strukturiert. Grell, laut und viel. Und immer wieder auch unglaublich verwirrend. Nach ein paar Tagen mit Journalisten-Kollegen in Kagoshima (ganz im Süden Japans) und Kyoto, über die ich eine Geschichte in Slow schreiben werde, hatte ich noch zwei Tage nur für mich in Tokio. Und was für zwei Tage das waren.

Eigentlich bin ich bloß immer gelaufen. Immer weiter und weiter, wie hypnotisiert. Weil es in dieser Stadt einfach so viel zu entdecken gibt. Und weil sie einen mitreißt, auch wenn sie einen in all dem Viel erstaunlicherweise nie anbrüllt. Die Stadt ist laut, die Menschen sind es nicht. Noch an der wuseligsten Riesenkreuzung und vollsten Shopping-Straße rempelt einen nie jemand an. An den U-Bahn-Haltestellen warten die Menschen in Reihe aufgestellt auf die nächste Bahn. Steigen ein, setzen sich, schließen die Augen. Irgendwann habe ich es ihnen gleich getan, man muss ja keine Sorge haben, die eigene Station zu verpassen, vor jeder gibt es eine Ansage, auch auf Englisch. Trotzdem merkt man in jedem Moment, was für eine Mega-City Tokio ist: 9,5 Millionen Menschen leben hier, mehr als 15.000 Einwohner pro Quadratkilometer (in Berlin sind es ungfähr 4.000 Einwohner pro Quadratkilometer). Die Häuser stehen so dicht aneinander gedrängt wie die Menschen in der U-Bahn zur Rush-Hour (es gibt sogar Angestellte, die sich in Stoßzeiten darum kümmern, die Passagiere in die Waggons zu schieben). An den Hochhäusern blinken und singen die Leuchtreklamen. Die Menschen sind nicht in Gruppen, eher in Schwärmen unterwegs. Und dann, eine 20-Minuten-Fahrt mit der Bahn weiter, streckt sich die Stadt plötzlich aus. Ein Park, ein See, Familien-Häuser, dazwischen kleine Geschäfte und Cafés.

Jede Stadt ist ein Nebeneinander. In Tokio kam es mir vor, als wären die Gegensätze extremer als anderswo, aber das hat vermutlich auch damit zu tun, dass ich in zwei Tagen einen halben Städteguide abgelaufen bin – von Ginza nach Kichijoji nach Shibuya nach Harakuju und am Ende zum Meiji-Schrein, kurz vor seiner Schließung, als es schon anfing zu dämmern. Als ich meine kleine Holztafel mit einem Wunsch für Fanny und Hedi aufgehängt habe, waren kaum noch Menschen dort. Ein Moment der absoluten Stille, in dieser so wahnsinnig lauten Stadt. Ich wäre noch ewig dort stehen geblieben, hätte ein Mann in Uniform mich nicht freundlich Richtung Ausgang gewiesen. Wieder zurück habe ich versucht, das alles zu sortieren. Mir ein Bild zu machen, aber es ist immer noch unscharf. Bislang weiß ich nur: Ich muss wiederkommen. Und weiterstaunen.  

Denn zu bestaunen gibt es so vieles:

* Die Sicherheit. Japan zählt zu den sichersten Ländern der Welt, und das spürt man. So gut aufgehoben habe ich mich noch auf keiner Reise gefühlt.

* Die Abwesenheit von Papierkörben auf den Straßen, die tatsächlich Absicht ist, damit erst gar kein Müll produziert wird. 

* Die außerordentlich klassische Frauenrolle. 70 Prozent der Frauen hören auf zu arbeiten, sobald sie Kinder bekommen. 

* Dafür kontrolliert in Japan traditionell die Frau die Finanzen und der Mann bekommt von ihr ein Taschengeld. 

* Die tägliche Vulkanausbruchs-Vorhersage in den Zeitungen. In den acht Tagen, die ich dort war, habe ich zwei große Vulkan-Aschewolken gesehen. Unglaublich für mich, Alltag für die Japaner: 240 Vulkane gibt es im Land, 110 von ihnen gelten als aktiv (sind in den letzten 10.000 Jahren also mindestens einmal ausgebrochen, was ich, wie so vieles andere auch, im großartigen Buch „Japan für die Hosentasche” nachgelesen habe). 

* Die Regeln, die man zu beachten hat: Im Zug wird nicht telefoniert. Klingelt das Handy, geht man nicht ran. (Was ich unglaublich angenehm fand). Ins Onsen-Bad darf man nicht mit Tattoo – nicht mal mit so harmlos-peinlichen Jugendsünden wie meiner, weil Tattoos typisch für Mitglieder der Mafia sind und Tätowierten daher lieber keinen Zutritt haben. (Wirklich schade: Ich hätte die japanische Art des Badens, bei der man sich gründlich wäscht um zu baden, sehr gerne kennengelernt). Man zieht immer wieder die Schuhe aus, in Restaurants, vor Tempeln, bevor man auf die Toilette geht, dafür zieht man spezielle Toilettenschlappen an. (Auch das hat mir sehr gut gefallen).  

* Überhaupt die Toiletten (doch, die müssen erwähnt werden): Ein japanisches Klo hat ungefähr so viele Knöpfe wie das Cockpit einer Boing. Um andere nicht mit Geräuschen zu belästigen, kann man bei Betreten zum Beispiel Vogelgesang abspielen oder Wasserfälle losrauschen lassen. Die diversen Reinigungs-Funktionen habe ich nicht ausprobiert. Ich war mir nie sicher, wo der Aus-Knopf ist, deshalb bin ich beim Vogelgezwitscher und dem beheizten Sitz geblieben.

* Die Automaten, die es praktisch an jeder Ecke gibt. Japan hat die höchste Pro-Kopf-Rate an Verkaufsautomaten – auf 23 Einwohner kommt ein Automat. Darin zum Beispiel: Kalter grüner Tee in Flaschen und Schönheitstee (schmeckt interessant), Kaffee und Cola, Energiedrinks und Wasser, dazu ein paar Flaschen, deren Inhalt ich nicht genau identifizieren konnte.

* Den irrsinnig pünktlichen Shinkansen. Der Hochgeschwindigkeitszug hat eine durchschnittliche jährliche Verspätung von 0,9 Minuten, was auch daran liegt, dass er ein eigenes Schienennetz hat. Und er hält zentimetergenau dort, wo es auf dem Bahnsteig angegeben ist. Man steigt also immer exakt da ein, wo man auch wirklich sitzt.  

* Die Adressen, die ich ohne GoogleMap (und mein WLAN zum Mitnehmen) niemals gefunden hätte. Es gibt nämlich keine klassischen Straßennamen mit einer Hausnummer. Angeben wird ein Distrikt, dann ein Block und eine Hausnummer, die allerdings nicht durchnummeriert ist, sondern nach Baudatum vergeben wird. Nummer drei steht also nicht neben Nummer fünf, sondern vielleicht neben Nummer 78.

* Das Essen. Oh, das Essen. Für mich kein Sushi (ich hab´s ja nicht so mit den Meeresbewohnern), dafür: Yakitori, Tempura oder Shabu-Shabu – eine Art Fondue mit verschiedenen Brühen, in das man Fleisch und Gemüse gibt (mein Lieblingsessen).

* Und die Lebensmittelabteilungen der Kaufhäuser. Mit Schleife verpackte Melonen für 110 Euro neben Schokoladenkeksen mit Bärengesichtern neben Pralinen, die wie Schmuckstücke aussehen. Ich hätte Tage dort verbringen können. 

* Die Frauen in ihren kostbaren Kimonos, so wunderschön und elegant. 

Mitbringsel:

* Eine Kimono-Überjacke aus Seide, die ich in einem kleinen Vintage-Laden gleich neben dem Markt in Kyoto gefunden habe.

* Ein langer dunkelblauer Leinenrock.

* Sticker für Fanny und mich.

* Eine Tauben-Postkarte, die ich besonders hübsch fand.

* Das Gedicht eines Mönches aus dem Daisen-in Zen-Tempel in Kyoto. Es heißt: „Song of Gratitude”. 

* Shincha-Tee.

* Zarte Zucker-Blüten. 

* Zwei Süßigkeiten.

* Einen kleinen Hasen für Fanny und einen Panda für mich – extraweiche Mini-Figuren, die man drücken soll, wenn man aufgeregt ist. Fanny war besonders entzückt davon, dass man sie mit Babypuder einreiben soll, falls sie anfangen zu kleben. 

Nächste Woche mehr über meine beiden Tage in Tokio und was ich dort alles gemacht habe. Kommt gut ins Wochenende und habt es schön!

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