Vor ein paar Wochen hat meine Freundin Sandra meinen
Kleiderschrank fotografiert. Was mir dabei auffiel: wie viele blaue Hemden ich
besitze. Was ihr dabei auffiel: wie erstaunlich reduziert der Inhalt meines
Kleiderschranks ist.
Erstaunlich, weil: sie mich in Paris erlebt hat, als ich mit
meiner Kreditkarte extrem freizügig war. Ich habe ihr allerdings auch nicht die
Rumpelkammer gezeigt, in der diverse Kisten mit Klamotten stehen, für die im
Schrank kein Platz ist. Manchmal gucke ich in die Kisten und stelle fest:
Interessant! Ich habe also schon zwei Paar weiße Jeans, hätte ich mir das
dritte Paar womöglich sparen können. Dann finde ich mich kurz bescheuert, mach
die Kisten wieder dicht und schlepp sie auf den nächsten Flohmarkt.
Seit ein paar Jahren sind es nicht mehr so viele Kisten wie
früher. Nicht, weil ich so oft auf den Flohmarkt gehe. Sondern weil die
Fehlkäufe weniger geworden sind. Das dritte Paar weiße Jeans brauchte ich
sicher nicht. Aber die blauen Hemden in meinem Schrank, die brauche ich alle.
Die Schublade voller weißer T-Shirts. Die Pullis mit V-Ausschnitt. Weil ich
irgendwann festgestellt habe, dass das die Dinge sind, die ich immer wieder
trage. Weil sie mir stehen (und, nein, ich werde hier nicht ausrechnen, wie
viel mich diese Erkenntnis in Fehlkäufen gekostet hat).
Und dann gibt es noch die Sachen, die ich niemals weggeben
könnte, egal wie lange sie zwischendrin ungetragen sind. Manche davon, weil sie
eine Menge Geld gekostet haben. Einige dagegen so gut wie nichts. Aber alle
bedeuten mir mehr als nur ein Stück Stoff. Das sind die Sachen, die in meinem
Kleiderschrank immer Platz haben werden:
Diese Jeansjacke. Mit 15 für acht Mark auf einem Flohmarkt
in Stade gekauft, zusammen mit – kann es wahr sein? – einer gebatikten
Schlaghose. Die Hose ist längst entsorgt. Die Jacke ist für mich: lange Sommer
in Dänemark, Bier aus Dosen trinken, das erste Festival und bis morgens um
sechs in der Mülltonne (so hier unsere Kneipe in Stade, doch wirklich) sitzen
und mich nicht trauen, DEN Jungen anzusprechen. Ich werde sie noch tragen, bis
sie komplett auseinanderfällt.
Ein blaues Hemd mit weißen Nadelstreifen, von einer Freundin
in Boston geschenkt, weil sie keinen Platz mehr dafür in ihrem Koffer hatte,
als sie zurück nach Schweden ging. Ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist.
Aber mit diesem Hemd fing meine Sammlung blauer Hemden an.
Ein langes Seidenkleid, dass James mir vor ein paar Jahren
für eine Hochzeit genäht hat. Weil es das erste Stück ist, das er für mich
gemacht hat und weil es so schön und kostbar ist, dass ich es nur ein paar Mal
im Jahr anziehe.
Ein Kleid von Twenty8Twelve, in New York gekauft. Ah, New
York! Mein Freund Aaron und ich waren den ganzen Tag durch die Stadt gelaufen
und landeten schließlich, geschafft und glücklich, bei Saks. Da hing es dann,
das Kleid. Die Verkäuferin, die es mir in die Umkleide brachte, das weiß ich
noch, hieß Norma Jean. Eigentlich konnte ich mir das Kleid nicht leisten, aber
Aaron sagte: Hau es auf die Kreditkarte und dann führ ich dich darin aus! Und
so war es dann auch. Ein grandioser Abend.
Eine weiße Baumwollbluse mit gehäkeltem Halsausschnitt. Weil
es meiner Mama gehörte, als sie meine Mama wurde.
Und was könntet ihr niemals aufgeben?
Marlene