* Jede Stadt, in die ich reise, hat ihr eigenes Essen. In Paris esse ich Dinge, die ich sonst fast niemals esse, und ich esse sie in groben Mengen, immer nur hier. Brie zum Beispiel. Und Tuc-Cracker mit Frischkäse. Und Profiteroles. Mit dem Käse hat mich der Laden gegenüber angesteckt, einer der besten Käseläden der Stadt, hat unsere Haustausch-Partnerin gesagt, wie recht sie hatte. Die Menschen in diesem Laden sprechen den Namen jeder Käsesorte aus wie ein Gebet. Erst habe ich darüber gegrinst, ist doch nur Käse, dann habe ich probiert. Oder der Bäcker an der Ecke. Egal, wann ich runtergehe, um Baguette zu kaufen, oder ein Brot mit Feigen, die Schlange geht immer bis rauf auf die Straße. Ich würde auf dieses Baguette ewig warten, ich habe nie ein besseres gegessen (und immer ist es noch heiß, wenn ich es kaufe). Fanny habe ich mit meiner Gier schon angesteckt, Boooot, sagt sie beim Aufwachen, Boooot, dann ziehen wir uns an, gehen runter, stellen uns an, und kaufen Boooot. Die Verkäuferin schenkt Fanny jedes Mal ein Stückchen Brioche.
* Ich bin ein Supermarkt-Freak. Ich kann nicht genug davon bekommen, durch die Gänge im Monoprix zu gehen und mir das Essen anzuschauen, das ja so ungewöhnlich nun wieder auch nicht ist, und doch.
* Fanny ist viel weniger aufgeregt als ich dachte. Nach zwei Tagen geht sie den Weg zum Spielplatz, als würden wir hier schon ewig leben, sie ist ganz aufgeregt, wenn es in den Supermarkt geht, weil sie dann wieder im Wagen sitzen und die Einkäufe hinter sich in den Wagen werfen darf, beim Bäcker grüßt sie jeden, als wäre er ein Freund. Tu veux jouer avec moi, hat heute ein kleiner Junge auf dem Spielplatz gefragt, und Fanny nickte. So einfach ist das, es braucht nicht einmal eine Sprache dazu.
* Jetzt, wo ich mal Pause mache, fällt mir auf, wie müde ich eigentlich bin. Ich bin glücklich, ich möchte hundert Dinge in dieser Stadt tun, in diesen Porzellan-Laden und zu Alice à Paris und an der Seine spazieren gehen und eine Hose finden, in der ich mich sexy finde. Und kann mich kaum dazu aufraffen, aufzustehen. Also sitzen wir auf dem Spielplatz und gucken Fanny beim Rutschen zu. Gehen in Montmartre spazieren, Straße rauf, Straße runter, langsam, unaufgeregt, ohne große Worte, und es fehlt nichts zum Glück, gar nichts. Der Eiffelturm dann vielleicht am Wochenende. Vielleicht auch nicht.
* Vorgestern bin ich einen Tag lang alleine durch die Stadt gegangen, meine Lieblingsorte entlang. Durch Saint Germain, durchs Marais. In Zeitlupe einen Cheeseburger gegessen. Wie gut es tut, auch mal allein zu sein, hin und wieder, für einen Tag in meiner eigenen Zeit zu leben und in meinem Tempo, nicht zuständig zu sein, verantwortungslos, nur den Impulsen nach. Auf dem Rückweg in der Metro solches Herzklopfen gehabt, meine Herde wiederzusehen, dass ich kurz überlegt habe, auszusteigen und ein Taxi zu nehmen, nur um fünf Minuten früher da zu sein.
* Borgen ist eine verdammt gute Serie (danke, Kirsten). 34 Meter über dem Meer ist ein wunderbares Buch. Ich trau mich nicht, das letzte Kapitel zu lesen, ich möchte nicht, dass es endet. Ich möchte es so gerne noch einmal zum ersten Mal lesen (danke, Lykke!).
* Der Mann in der Wohnung gegenüber sieht traurig aus. Er hat den ganzen Tag das Fenster auf, genau wie wir, wir gucken direkt in seine Wohnung und er in unsere, wir tun beide so, als würden wir es nicht bemerken, nur wenn er Fanny sieht, lächelt er manchmal. Was ihn wohl so traurig macht?
* Schön, am offenen Fenster zu sitzen, nicht rauszusehen, nur rauszuhören. Frauengestöckel, ein Krankenwagen, ein Kind, das lacht, das Gemurmel aus dem Bistro gegenüber, das Bimmeln der Montmartre-Bahn, ein Mofa, ein hohes und ein tiefes Lachen.