Liebe Marlene,
letzte Woche habe ich meinen Kleiderschrank ausgemistet und mit Erstaunen festgestellt, wie viele schöne Stücke ich eigentlich nie trage. Oder vielleicht andersherum: wie wenig Stücke ich wirklich trage und wie treu ich meinen Lieblingsstücken bin - meiner blauen Jeans und meiner schwarzen, meinem Ringelshirt und meiner Jeansbluse, meinem schwarzen Blazer, meinem grauen Blazer von James, meinem Zopfpullover, meinem blauen Trenchcoat, meinen Turnschuhen und meinen schwarzen Boots. Es gibt natürlich Ausnahmen, Tage, an denen ich mich mutiger fühle, als ich eigentlich bin, und ausnahmsweise mal ein Kleid trage. Oder meinen knallpinken Pullover. Aber die meisten Tage sind es fast immer diese Lieblingsstücke. Geht´s Dir genauso oder bin ich ein schrecklicher Mode-Langweiler? Welche Stücke ziehst Du immer und immer wieder an und woran liegt das?
Liebe Okka,
manchmal träume ich davon, jemand zu sein, der Outfits braucht für Poolpartys, Galaempfänge und intime Abendessen mit George Clooney. Das richtige Kleid für ein Treffen mit ihm hätte ich jedenfalls schon. Aber ziehe ich es deshalb kaum an, weil Clooney, der Hund, verdammt nochmal nicht anruft? Ich glaube schon eher, weil diejenige, die ich in Wahrheit bin, einfach andere Sachen trägt und Poolpartys und Galaempfänge auch nicht mein Alltag sind. Zwei dieser Teile siehst Du hier: Meine dunkelgraue Jeans von Cos und mein weißes Seidenhemd von H&M. Das Foto wurde gemacht, als ich ein paar Monate aus dem Koffer gelebt und jeden Tag wechselnd die gleichen Teile getragen habe. Die Lieblingsteile, die ich auch im Dunkeln packen könnte. Neben diesen beiden ein schwarzer Mantel von Cos, Chelsea Boots, auch von Cos, diverse T-Shirts von All Saints, ein Pullover mit V-Ausschnitt von Uniqlo, eine Bluse von Swildens, ein Blazer von Uterque, Jeans von Rag & Bone. Teile, die so perfekt sitzen und sich anfühlen, dass man merkt, wie wenig man zu Kompromissen bereit sein sollte. Aus meinem großen Kleiderschrank habe ich auf dieser Reise so gut wie nichts vermisst. Erkenntnis eins: Ich habe zu viel Kram, denn auch im Sommer kämen nur ein paar Teile dazu, ein Kleid von Manning Cartell etwa und Sandalen von Patrizia Pepe. Zwei: Ich weiß inzwischen vielleicht einfach, worin ich mich am meisten wie ich fühle. Und ich glaube, Dir geht es nicht anders. Wenn ich jetzt ein Foto von Dir machen würde, hättest Du darauf ein Ringelshirt, Blazer und Jeans an. So sehe ich Dich. Allerdings hätte ich nichts dagegen, Dich öfter mal in einem Kleid zu sehen. Steht Dir nämlich. Denn vielleicht geht´s Dir auch da so wie mir, dass man sich manchmal so an die Routine gewöhnt, dass man die nicht so offensichtlichen Teile in der Garderobe vergisst. Wir arbeiten schließlich beide von zu Hause. Für mich ist es an manchen Tagen schon eine Herausforderung, die Jogginghose aus und etwas anzuziehen, bei dem der Postbote nicht vor Schreck in Ohnmacht fällt. Auch wenn man irgendwann weiß, wer man ist, darf man sich öfter mal herausfordern. Gilt auch für Mode. Dann stellt man meistens fest, wie gut es sich anfühlt, wenn man den Mumm dazu hatte oder wenn man schlicht mal die Bequemlichkeit ablegt. Es macht zum Beispiel null Sinn, dass ich diese Sandaletten von Céline manchmal in der Wohnung trage. Sie passen besser auf ein rauschendes Fest. Aber vielleicht macht es gerade Sinn, sie dann anzuziehen, wenn das Leben nicht nach ihnen verlangt und ich, extrem langweilig, zum Beispiel die Ablage von ein paar Monaten nachholen muss. In diesen Schuhen fühlt sich nämlich selbst das fast fabelhaft an.
Foto: Marlene Sörensen. Ihr Weblog "Spruced" ist hier zu finden. Dankeschön!