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Hallo.

Mein Name ist Okka.
Dieses Blog handelt von
den Dingen, die ich liebe – Büchern, Filmen, Mode,
Beauty, Kochen, Reisen.
Und vom Leben mit meinen beiden Töchtern in Berlin. 
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„ICH HABE IMMER SCHON GESCHRIEBEN UND ES GELIEBT, ZU SCHREIBEN. ABER ICH HÄTTE NIE GEWAGT, MICH ALS SCHRIFTSTELLERIN ZU TRÄUMEN”

„ICH HABE IMMER SCHON GESCHRIEBEN UND ES GELIEBT, ZU SCHREIBEN. ABER ICH HÄTTE NIE GEWAGT, MICH ALS SCHRIFTSTELLERIN ZU TRÄUMEN”

Stepha Quitterer

Stepha Quitterer

Vor zehn Jahren erzählte mir mein Mann von einem Weblog, das er beim Herumsurfen entdeckt hatte: eine Frau, die sich in ihrer Elternzeit vorgenommen hatte, 200 Tage lang jeden einzelnen Tag an irgendeiner Tür im Prenzlauer Berg zu klingeln und sich auf Kaffee, Kuchen und ein Gespräch einzuladen. Würde ich mich nie trauen, dachte ich. Und schrieb ihr eine Email. Ob sie Lust auf einen Besuch bei mir hätte. Und auf eine Backpause. Hatte sie. Also machte ich Zitronenkuchen und Mokka-Cupcakes, viel zu viele, wie ich das immer mache, wenn ich aufgeregt bin. Dann stand Stepha Quitterer mit ihrem Baby vor der Tür. Und die Aufregung war weg. Wir redeten. Und redeten. Und haben seitdem nie wieder aufgehört (mittlerweile sind unsere Töchter fast zehn!). Nach einem Buch über ihre Hausbesuche hat sie bei Gerstenberg nun ihren ersten Roman veröffentlicht: das Jugendbuch „Weltverbessern für Anfänger”, das gerade für den Paul-Maar-Preis nominiert wurde. Weil ich Stepha nicht nur als Mensch und Freundin, sondern auch als Schreiberin wahnsinnig schätze und wissen wollte, wie genau sie eigentlich schreibt, wenn sie schreibt, habe ich ihr ein paar Fragen gestellt. Hier sind ihre Antworten.

Stepha, ich würde gerne mit dir über das Bücherschreiben sprechen. Zuallererst: Wie lange hast du an deinem neuen Buch „Weltverbessern für Anfänger” gearbeitet?

Geschrieben habe ich das Buch ungefähr ein Jahr lang – aber da ich zwischendurch auch verschiedene andere Jobs hatte, um mich zu finanzieren, habe ich nicht an einem Stück geschrieben. Den größten Schwung habe ich während meiner Schreibaufenthalte in Meran und Broumov geschrieben, wo ich jeweils einen Monat lang als Stipendiatin einfach nur schreiben konnte. Als das Manuskript dann an den Verlag verkauft war, kamen noch die Revisionen und Korrekturen, das zog sich nochmal über ein halbes Jahr. Man kann also definitiv sagen, dass in diesem Buch ziemlich viel Zeit steckt…

Wie genau schreibst du, wenn du schreibst – zu bestimmten Uhr- oder Tageszeiten, am Stück oder an bestimmten Tagen?

Ich schreibe am liebsten am Stück, meine Schreibaufenthalte in Meran und Broumov zum Beispiel waren ein Traum. Wie produktiv man plötzlich ist, wenn man sich einen Monat lang wirklich nur in der Buchblase bewegen kann. Keine Ablenkung, keine bekannte Menschenseele, kein Briefkasten mit unangenehmen Dingen, die man beantworten muss – nur der Schreibtisch und ich, am Nachmittag ein kurzer Abstecher in ein Café in einem Land, dessen Sprache ich nicht spreche. Ich bin diesen Stipendiengebern so unendlich dankbar für die Möglichkeiten, die sie mir eröffnet haben!

Normalerweise ist mein Schreiben natürlich alltäglicher. Wenn meine Tochter aus der Tür und in die Schule geht, setze ich mich direkt an den Schreibtisch, noch ohne Duschen und Zähneputzen, damit wirklich nichts zwischen Motivation und Es-tatsächlich-Umsetzen kommt, und lege los, vier konzentrierte Stunden am Stück. Dann kommt duschen, Mittagessen, Mails beantworten und diese ganze zugehörige Kommunikation, dann noch einmal zwei nicht ganz so konzentrierte Schreibstunden. Abends dann, wenn meine Tochter schläft, schreibe ich je nach Deadline noch einmal zwei, drei Stunden bis maximal Mitternacht.

Ich kann mittlerweile schneller tippen als mit der Hand schreiben – und kann nur gut schreiben, wenn die Formatierung immer gleich ist: Verdana, Schriftgröße 11, fünf Zentimeter Rand. Notizen und Ideen schreibe ich hingegen fast immer mit der Hand und immer mit meinem Lieblingsstift (schwarzer Muji-Gelliner, Stärke 0,5) in ein Notizbuch. Wie ist das bei dir? Bist du da auch so eigen?

Ich brauche auch dieselbe Formatierung, sonst erkenne ich meine Gedanken irgendwie nicht. Und mit Notizen ist das bei mir so eine Sache. Grundsätzlich schreibe ich mir Ideen genau wie du auch in ein Notizbuch – der Stift ist da weniger wichtig (Hauptsache: schwarz), als dass das Notizbuch die richtige Form hat: DIN A4, abgerundete Ecken, unliniert und mit einem Gummiband zum Schließen – aber ich lese nie, wirklich NIE nach, was ich da so Tolles reingeschrieben habe. Durchsetzen müssen sich dann die Ideen, indem sie in regelmäßigen Abständen wieder bei mir vorsprechen und nicht lockerlassen.

Perfekter Arbeitsplatz: ein Kaffee, eine Kanne Tee, ein Fußmassageroller unter dem Tisch, Weitblick – und ein Stift zum In-den-Mund-Nehmen

Perfekter Arbeitsplatz: ein Kaffee, eine Kanne Tee, ein Fußmassageroller unter dem Tisch, Weitblick – und ein Stift zum In-den-Mund-Nehmen

Was hilft dir beim Schreiben? Musik, Tee, Stille? Ich habe gesehen, dass unter deinem Tisch ein Fußroller steht…

Oh, mein Fußroller. Ich liebe ihn. Ich bekomme beim Schreiben immer so schnell kalte Füße, keine Dreifachwollsocke half bisher dagegen. Bis ich in Meran unter meinem Schreibtisch plötzlich so ein Fußmassagegerät hatte. Außerdem brauche ich eine große Kanne Tee in Reichweite, mein Handy im Thrive-Mode und je nach Text entweder einen bestimmten Soundtrack, der mich in Stimmung bringt, oder absolute Stille. Dazu Einsamkeit. Ich kann überhaupt nicht schreiben, wenn jemand mit im Raum oder auch nur mit in meiner Wohnung ist – nur meine Tochter Marie ist da ausgenommen.

Früher habe ich wahnsinnig schwer damit getan, Anfänge zu finden. Mittlerweile schreibe ich ganz anders, als ich das noch vor 15 Jahren gemacht habe – zuerst sehr rohe Rohfassungen, ohne über Verwertbarkeit nachzudenken oder darüber, wie gut das ist. Manchmal funktionieren diese Roh-Fassungen schon halbwegs gut, manchmal sind sie ein guter Ausgangspunkt für weitere Überarbeitungsrunden.

Bei mir sind es als Erstes die Anfänge, die kommen. Mir fällt es dann eher schwer, nach der ersten Szene, die einfach aus mir herausflutscht, weiterzuschreiben. Das ist eher, als hätte mir jemand einen roten Faden in die Hand gedrückt und dem muss ich dann aufdröselnd hinein in den Nebel folgen und schauen, wo das hinführt. Das hat aber zur angenehmen Folge, dass die Kapitel, die dabei chronologisch herauskommen, schon relativ gut sitzen und ich gar nicht mehr viel überarbeiten muss, sondern nur noch hier und da kleine kosmetische Eingriffe vornehme.

Stepha Quitterer

Stepha Quitterer

Kennst du so etwas wie Blockaden und Sinnkrisen beim Schreiben?

Oh, Schreibblockaden. Sinnkrisen. Bei meinem ersten Buch hatte ich die schlimmsten Schreibblockaden und Sinnkrisen überhaupt. Ständig die Frage, ob das, was ich schreibe, gut genug ist. Ob dieser Satz jetzt gut genug ist. Ob es nicht an sich viel zu vermessen ist, mir einzubilden, ich könnte schreiben? Thomas Mann saß ständig auf meiner Schulter und hat Zigarre geraucht wie ein Schlot. Nur das. Er hockte da und rauchte. Er musste nicht mal was sagen. Inzwischen ist mein Selbstverständnis etwas gefestigter, das macht die Sache mit den Sinn- und Schreibkrisen etwas einfacher, selbst wenn ich natürlich auch heute noch vor einem Kapitel sitze und denke: Das ist doch alles Blödsinn, kein Mensch will, soll, muss, braucht das lesen!

Was hilft dir dagegen?

Mir helfen da verschiedene Strategien: 1. Meinem Agenten gegenüber andeuten, dass ich gerade am Text zweifle. Der schreibt dann umgehend: „Nicht löschen. Weiterschreiben”. Nur das. Als wäre es ganz einfach. Und das wird es dann meistens wieder auch. 2. Elizabeth Gilberts grandiosen TED-Talk schauen und sich daran erinnern, dass man da gerade in eine Egofalle tapert. Mir hilft die Vorstellung, dass nicht ich es bin, die schreibt, sondern dass ich nur wiedergebe, was durch mich hindurchfließt. Wie eine Tram, die ihren Greifarm ausführt, um den Strom von der Oberleitung abzunehmen. 3. Mich an den Rat erinnern, den dein Mann mir einmal gegeben hat: einfach mal einen Marillenschnaps! Nicht als Anleitung zum Alkoholismus, sondern als Anleitung, den Druck wieder rauszubekommen. Ob das dann ein Marillenschnaps, ein Spaziergang um den Block, ein Kaffee vorne im Stammcafé oder etwas ganz anderes ist – Hauptsache, man geht schnell und kurz mal auf Abstand, wie wenn du mit deinem Partner streitest und etwas Luft daran muss.

Wie bist du überhaupt Autorin geworden – wolltest du das schon immer?

Ich habe immer schon geschrieben und es geliebt, zu schreiben. Aber ich hätte nie gewagt, mich als Schriftstellerin zu träumen. Meine Deutschlehrerin in der 5. Klasse, Frau Hofmann, fand meine Aufsätze immer außergewöhnlich, ich habe von ihr reihenweise Einser mit drei (!) Plus bekommen, und sie hat mich auch dazu gebracht, beim Bundeswettbewerb mitzumachen. Ich habe das damals nicht verstanden, aber heute weiß ich, dass sie etwas in mir gesehen hat – und dass dieses In-mir-Sehen keinen geringen Anteil daran hat, dass ich jetzt Schriftstellerin bin. Ich glaube, dass wir alle jemanden brauchen, der an uns glaubt – vor allem, wenn man nicht von Haus aus dieses Selbstbewusstsein mitbringt, um mit seinem intimen Geschreibsel nach draußen gehen zu können. Wenn ich es romantisch sehen will – und das will ich – glaube ich, dass es bei jedem Schreiber irgendwann unweigerlich hochblubbert, wie bei einem Vulkan.

Mit ihrer Tochter Marie (die auch gerne Geschichten schreibt)

Mit ihrer Tochter Marie (die auch gerne Geschichten schreibt)

Kannst du vom Schreiben leben?

Das ist eine Frage, die mich wahnsinnig aufregt. Nicht, weil du sie stellst, du meinst sie anders – aber sie kommt häufig von Leuten, die mit dieser Frage einschätzen wollen, wie erfolgreich man ist, wie sie meine künstlerische Arbeit oder auch meinen künstlerischen Wert einordnen sollen. Als wäre Geld ein Gütesiegel. Das regt mich umso mehr auf, als es wirklich wahnsinnig schwer ist, als Schriftsteller irgendwie zu überleben. Nicht nur zu leben, sondern zu überleben. Klar, wenn du es geschafft hast und deine Bücher laufen: super! Alle lieben die romantischen Erfolgsstories von arbeitslosen Autor*innen, denen so und so viele Verlage abgesagt haben, weil sie Harry Potter nicht als Harry Potter erkannt haben – und sehr gern heißt es ja auch, dass der Künstler leiden muss. Ich für meinen Teil leide nicht ganz so gern, ich finde Existenzangst belastend, schreibhemmend und überhaupt nicht romantisch – und selbst J.K. Rowling erinnert sich an ihre Existenzkrise nur mit einer gewissen Bitterkeit. Als ich das Stipendium vom Deutschen Literaturfonds bekommen habe, habe ich vor Erleichterung erstmal geheult. Aber es wird langsam leichter – und mein Verlag unterstützt mich wirklich sehr. Gerade habe ich einen neuen Vertrag unterschrieben.

Wie hast du einen Verlag für deine beiden Bücher gefunden?

Für mein erstes Buch habe ich einfach nur Probeseiten an fünf Verlage geschickt, von denen ich dachte, dass mein Buch irgendwie in deren Programm passen würde. Wie blauäugig das war, habe ich erst kapiert, als ich, nachdem ich beim Knaus Verlag unter Vertrag und dort zum Antrittsbesuch war, von der Verlegerin allen vorgestellt wurde mit: „Das ist Stephanie Quitterer, sie kam ohne Agent zu uns.” Für mein zweites Buch, das ja ein Jugendbuch ist, habe ich mir dann einen Agenten gesucht – ein Glückstreffer, Ulrich Störiko-Blume. Er kennt die Verlags- und Lektorenlandschaft wie kein zweiter. Und mittlerweile weiß ich auch, dass die Lektoren in den Verlagen einfach extrem wenig Zeit haben, all die nicht von einem Agenten vorab gesiebten Manuskripte zu sichten. Aber gefunden habe ich ihn auch nur, weil er mir empfohlen wurde. Ich habe ihn angeschrieben, ob er noch neue Autoren aufnimmt und ich ihm vielleicht mal etwas schicken dürfte. Daraufhin haben wir uns auf einen Schnupperkaffee getroffen und mir war sofort klar, dass ich unbedingt mit ihm arbeiten will. Es geht ja bei einem Agenten nicht darum, irgendeinen Vertreter für dein Manuskript zu finden. Im besten Fall ist dein Agent dein Vertrauter, dein Verbündeter, deine konstruktive Kritik, deine freundliche Deadline, und derjenige, der wirklich immer an dich glaubt – außerdem findet er den Verlag für dich, der am besten zu dir passt. Mit dem Gerstenberg Verlag habe ich da noch einen weiteren Glücksgriff getan!

Wie lief das Büchermachen bei dir genau ab: Hattest du eine Deadline? Hast du Teile abgegeben oder gleich das ganze Buch? Wie viel hast du dann noch daran gearbeitet und mit wem?

Ich hatte eine Deadline zur Abgabe, und da mein Agent darauf bestanden hat, dass ich das ganze Buch fertig habe, bis er es definitiv anbietet, war die für mich auch kein Problem. Jetzt, bei meinem dritten Buch, ist das anders. Da hat mein Verlag schon nach den ersten 50 Seiten gesagt, dass er es haben will – und ich werde es jetzt bis zur Deadline im Sommer fertig schreiben. Dann kommt, wie bei „Weltverbessern” auch, die Arbeit mit meiner großartigen Lektorin Birgit Göckritz, die alles und wirklich jedes kleinste Detail auf seine Logik und den roten Faden hin untersucht, das sind dann zwei, drei Runden Textüberarbeitung, die mit ihr im Pingpong hin- und hergehen, und darauf freue ich mich jetzt schon. Mit ihr arbeiten zu dürfen, ist ein großes Glück, weil sie meine Schreibe genau so nimmt, wie ich bin – und noch dazu Staatsanwältin meines Bauchgefühls ist. Wenn ich beim Schreiben dachte: „Gnah, diese kleine Stelle da ist vielleicht nicht optimal, aber ich lass die jetzt einfach so, wird schon keiner merken”, dann legt sie ganz sicher ihren Finger in genau diese Wunde – und sei es nur ein Halbsatz! – und sagt: „Frau Quitterer, ich hab das Gefühl, da müssen Sie nochmal ran”.

Wie findest und entwickelst du deine Geschichten und Figuren?

Die Geschichten finden eher mich. Das ist etwas, wofür ich sehr dankbar bin. Plötzlich ist da eine Szene im Kopf und will raus. Damit die Geschichten mich finden können, bewege ich mich viel an den Orten, an denen sie sich so herumtreiben, die Geschichten: Ich reise viel, blättere viel, bewege mich viel, sauge Gespräche auf, beobachte Menschen in Cafés, lese querbeet, gern im Atlas Obscura oder in Sachbüchern aller Art, treibe mich in Museen herum und gehe sehr diszipliniert jeden Montag in die Sneak.

Das erste Mal in der Hand

Das erste Mal in der Hand

Was muss man als Schreiberin können?

Erstens: Man muss dranbleiben können. Über die ersten Seiten hinauskommen, dann über die ersten 15. Dann über die ersten 30. Dann über die ersten 50. Und so weiter. Bis das Ding fertig ist. Dann, wenn das Ding fertig ist: Seite 1 vom nächsten Ding schreiben.

Zweitens: Man muss immun sein gegen die Meinung der anderen. Vor allem immun gegen diejenigen, die einem sagen, dass man sich einen richtigen Job suchen soll.

Drittens: Man muss es aussitzen können. Existenzangst, Panik, Schreibblockaden, Sinnkrisen: Segel einrollen und über sich ergehen lassen. Im besten Fall einfach trotzdem weiterschreiben.

Viertens: Man muss an sich glauben können – meistens lange, bevor andere es tun.

Fünftens: Man muss wissen, wie man die Ideen anlockt, damit sie wie scheue Rehe auf die Lichtung zum Grasen kommen, wo man sie wiederum beobachten und alles aufschreiben kann, was sie da tun.

Zusammengefasst: Man muss ein ziemlich sturer, eigenbrötlerischer, egozentrischer, aber gleichzeitig absolut unegozentrischer, sensibler, aber gleichzeitig auch völlig unsensibler, dauersuchender, völlig unbekümmerter, wahnsitziger, unbelehrbarer, unbeirrbarer, lustvoller, schizophrener, offen-verschlossener Mensch mit extrem hohem Konzentrations- und Zertreuungsvermögen sein.

Was hilft dir dabei, zu einer besseren Autorin zu werden?

Ich versuche, möglichst viel auf meinen Bauch zu hören. Letztes Jahr habe ich an einem Roman operiert, der sich einfach nicht richtig angefühlt hat. Ich habe herumgedoktert und herumgedoktert, überarbeitet, Figuren geändert, Kapitel umgestellt, Erzählperspektiven gewechselt, alles. Ich war unglücklich und frustriert, wie in einer schon längst gescheiterten Beziehung. Irgendwann meinte mein Agent, ich sollte das Ding auf Eis legen, was eine freundliche Umschreibung für Papierkorb ist. Das war so eine Erleichterung. Wenn es sich beim Schreiben nicht richtig anfühlt, dann ist es auch nicht richtig, da kann der Kopf sich noch so verschwurbelte Rechtfertigungen für Fehlsätze ausdenken. Es hilft, da mehr auf den Bauch zu hören als auf den Kopf, ehrlich zu sich zu sein und dafür eben auch beherzt Sätze, Seiten, Kapitel oder ganze Bücher zu streichen.

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Welche Autoren und Bücher haben dir am meisten beigebracht?

Ich habe schon immer ziemlich viel gelesen und ich liebe sehr viele Bücher oder Autoren für unterschiedlichste Aspekte. Sicher mit bei den Lehrern dabei sind Thomas Mann (der Genuss der Ironie), Sofi Oksanen und Guillermo Arriaga (gute Dramaturgie), Gerhart Hauptmann (die Brutalität einer guten Beobachtung), Herta Müller (die Welt in nur einen Satz zu fassen) und Wolfgang Herrndorf, der über „Tschick” gesagt hat, er habe einfach das Buch geschrieben, das er als Jugendlicher gern gelesen hätte. Der Ansatz, einfach das zu schreiben, was man selbst gerne lesen würde, ist vermutlich kein so schlechter. Und in dieser Hinsicht sind mir unter den Jugendbuchautoren am liebsten Astrid Lindgren (natürlich), Christine Nöstlinger, Ute Krause und sehr, sehr wichtig: Roald Dahl. Der schrieb so lustvoll und mit bissigem Humor, das kam so locker aus der Hüfte und tief aus dem Bauch, nicht aus einem verkopften Kopf. Wer mir aber für das Schreiben an sich am meisten beigebracht hat, ist Henry Miller. Gerade jetzt, in dieser unguten Zeit, hängt sein Rat vor mir am Moodboard: „Don´t be nervous. Work calmly, joyously, recklessly – on whatever is on hand.” Ruhig, freudvoll und verwegen schreiben trifft es für die Zutatenliste auf den Punkt.

Wie gehst du mit Kritik um – mit guter wie schlechter? Die Süddeutsche hat dich gerade mit Christine Nöstlinger verglichen, die Zeit „Weltverbessern für Anfänger” als Buch zur Stunde empfohlen…

Wow, ja, das ist natürlich ein großes Lob – Christine Nöstlinger sitzt schließlich im Jugendbucholymp. Ich habe ihre Bücher verschlungen! Gute Kritik ist natürlich angenehmer zu verwerten als schlechte – aber ich merke, dass mir Kritiken an sich nicht gut tun, weder gute noch schlechte, weil sie mich sofort beim Schreiben beeinflussen. Entweder setzen sie mich unter Druck (die guten) – oder sie verunsichern mich. Und das ist fatal, weil ich ohnehin NIE das Buch schreiben werde, das jedem gefällt. Eine Leserin hat sich beispielsweise aufgeregt, weil in meinem Buch geraucht, gekotzt und Scheiße gesagt wird. Und obwohl ich davon überzeugt bin, dass Jugendliche tatsächlich rauchen, kotzen und Scheiße sagen, dachte ich einen Tag lang bei jedem neuen Satz darüber nach, ob der jetzt politisch korrekt und pädagogisch genug wäre. Hölle! Man hat ja eigentlich schon mit seinem eigenen, inneren Kritiker genug zu kämpfen, damit der wenigstens stellenweise Ruhe gibt. Deswegen tu ich mir auch den Sterne-Bewertungswahn von Leuten, die deinem Buch einen Stern geben, weil Amazon drei Tage später als angegeben geliefert hat oder weil sie „eigentlich gar keine Jugendbücher lesen” oder weil da jetzt der eine nach links geht und sie „erwartet haben”, dass der nach rechts gehen müsste, gar nicht erst an und denke: Kritik zählt nur, wenn der Kritiker auch mit seinem Klarnamen in der Öffentlichkeit steht – so wie ich, und wenn ein Mindestmaß an Wertschätzung, Neugier und Respekt eingehalten wird.

Danke für das Gespräch, liebe Stepha!

Stepha Quitterer wurde 1982 in Niederbayern geboren, hat in Rio de Janeiro mit Straßenkindern gearbeitet, in Berlin und Kairo Politik und in München Regie studiert und war Regieassistentin am Deutschen Theater in Berlin. Seit 2015 lebt sie als freie Autorin. „Weltverbessern für Anfänger” ist ihr erster Jugendroman. Ihre Website ist hier zu finden.

Dieses Interview ist ein unbezahlter, freiwilliger redaktioneller Beitrag.

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WAS GIBT`S ZUM ABENDBROT? QUARKAUFLAUF MIT KIRSCHEN

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