Ein neuer Mutterfragebogen: Vor knapp vier Jahren ist Tina mit ihrer Familie von München nach Chattanooga in Tennessee gezogen, weil ihr Mann von seiner Firma für ein paar Jahre in die USA geschickt wurde. Ihre Tochter wurde in München geboren, ihr Sohn in den USA. Auf ihrem Blog schreibt Tina über ihr Leben in den USA.
Name: Tina Busch
Alter: 37 Jahre
Mutter von: einer 5-jährigen Tochter und einem 2-jährigen Sohn
Stadt: Chattanooga, Tennessee, USA
Wie ist bei dir die Kinderbetreuung organisiert?
Beide Kinder sind von Montag bis Freitag in der Day Care, bis circa 15 Uhr. Die Zeiten sind zum Glück ganz flexibel: Ich kann sie abholen, wann ich möchte, spätestens aber um 18 Uhr, sonst müsste ich Strafe zahlen. Geöffnet ist der Kindergarten täglich von 6 bis 18 Uhr. Meine Kinder sind meistens die letzten, die gebracht und die ersten, die abgeholt werden. Zusammen mit den anderen deutschen Kindern.
Unter welchen Bedingungen arbeitest du? Wie funktioniert das für dich?
Spontan wollte ich schreiben, dass diese Frage nicht auf mich zutrifft. Ich arbeite ja – eigentlich – gar nicht. Zumindest wenn es darum geht, (regelmäßig) Geld zu verdienen. Da ich den Hauptteil meiner kinderfreien Zeit aber mit Bloggen verbringe, ist mein Blog irgendwie schon so etwas wie meine Arbeit (und mein Hobby!) – auch wenn ich damit kein Geld verdiene. Eine Finanzspritze geben mir Übersetzerjobs, die sich immer mal wieder ergeben. Ich arbeite, wenn meine Kinder im Kindergarten sind. Sechs Stunden pro Tag hört sich auf den ersten Blick viel an, ist es aber nicht. Die Wege hier sind weit und ich verbringe viel Zeit im Auto, um von A nach B zu kommen. Und damit ich ab 15 Uhr und am Wochenende wirklich voll und ganz für meine Kids da sein kann, mache ich in der kinderfreien Zeit auch den Haushalt, erledige Einkäufe, koche das Abendessen, halte mit Deutschland über Skype Kontakt und gehe zum Sport. Ist mal ein Kind krank oder hat der Kindergarten zu – so wie letzte Woche –, bleibt alles liegen. Eine Oma, die spontan einspringen kann, haben wir leider nicht vor Ort.
Wieviel Zeit hast du für dich – jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben? Reicht sie dir?
Ich kann mich nicht über zu wenig Zeit für mich beklagen. Wenn ich an meinem Blog bastele, ist das Zeit für mich, weil mir das richtig viel Spaß macht. Klar hätte ich gerne mehr Zeit für Sport, um zu Lesen oder etwas mit Freundinnen zu unternehmen, aber dann würde das Familienleben oder mein Blog darunter leiden und das will ich gerade nicht.
Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei dir aus?
Mein Mann weckt mich um kurz vor 7 mit einer Tasse Tee. Die trinke ich meistens noch im Bett, dann mache ich mich fertig und bereite das Frühstück vor. Sobald die Milch warm ist, wecke ich die Kids und wir frühstücken zusammen. Dann beginnt der tägliche „Zieh-dich-an-putz-dir-die-Zähne-aber-Mama-wir-wollen-noch-spielen“-Kampf. Kurz vor 9 fahren wir zum Kindergarten. Ab dann läuft die Zeit. Wenn möglich fahre ich direkt wieder nach Hause, verschließe die Augen vor dem Chaos in der Küche und setze mich an den Schreibtisch. Ich habe nämlich gelernt, dass ich vormittags am produktivsten und kreativsten bin. Zur Mittagszeit habe ich dann die Wahl: Aufräumen, Kochen, Einkaufen, Sport, Skypen. Dabei stehen Aufräumen und Kochen täglich auf dem Programm. Manchmal gehe ich danach nochmal zurück an den Schreibtisch, meistens lohnt sich das aber nicht mehr. Um 15 Uhr hole ich die Kids ab und wir fahren zu einem Playdate, oft mit deutschen Freunden. Dafür nehmen wir gerne 30 Minuten und mehr Fahrtzeit auf uns. Bei Kaffee und Cookies bequatschen wir Mütter unsere Zukunft, während unser Nachwuchs Prinzessin oder Pferd spielt. Um spätestens 18:30 Uhr sind wir zum Abendessen (das ich im Idealfall nur noch warm machen muss) wieder zu Hause. Dann kommt auch mein Mann nach Hause. Nach dem Essen ist noch Zeit zum Spielen, bevor wir um 20 Uhr die Kids ins Bett bringen. Es wird noch was vorgelesen, ein bisschen erzählt und dann machen wir das Licht aus. Ab 21 Uhr ist meistens Ruhe, ich kuschele mich in meine Sofaecke und lese noch Blogs, Zeitschriften oder ein Buch. Kurz nach 23 Uhr mache ich dann auch das Licht aus.
Was empfindest du als besonders anstrengend?
Über diese Frage habe ich lange nachgedacht. Es gibt bestimmte Tage, die kein Ende nehmen wollen, an denen alle schlecht gelaunt sind, Geduld ein Fremdwort ist und mein Mann spät von der Arbeit nach Hause kommt. Das finde ich immer wieder anstrengend, weil diese Tage so unvorhersehbar, die Probleme nicht greifbar sind und ich da einfach durch muss. Irgendwie.
Was macht dich besonders glücklich?
Das glucksende Lachen meiner Kinder, das ich letzte Woche nicht gehört habe, weil beide krank waren. Ihre feuchten Küsse und spontanen big hugs. Und natürlich ein unvorhergesehener früher Feierabend meines Mannes.
Was hast du durchs Muttersein über dich und die Welt gelernt, das du vorher nicht wusstest?
Jedes Projekt, an dem ich vor der Geburt meiner Kinder gearbeitet habe, war peanuts im Vergleich zum Muttersein. Mutter bin ich immer. 24/7. Mittagspause, Feierabend, Wochenende, krank sein, Nachtruhe, in Ruhe nachdenken, Verantwortung abgeben, Fragen erst später beantworten, aufs Klo gehen, ohne dass jemand an die Tür hämmert – geht nicht. Trotzdem bin ich total gerne Mama! Und weiß, dass ich für jeden zukünftigen Job, jedes zukünftige Projekt gewappnet bin. Egal, was auch kommt, mich haut so schnell nichts mehr um.
Du hast 48 Stunden kinderfrei. Was tust du?
Ich mache mit meinem Mann eine Städtereise und lebe einfach in den Tag hinein. Ohne regelmäßige Blicke auf die Uhr, Wickeltasche, Mittagsschlaf. Wir spazieren vom Coffee Shop zum Buchladen, vom Restaurant zur Boutique und wieder zurück und philosophieren über unsere Zukunft.
Wie sieht die Unterstützung von Familien in den USA im Vergleich zu Deutschland aus?
Bildung kostet hier Geld. Und gute Betreuung bzw. Bildung kostet viel Geld. Dafür gibt es aber auch unzählige Betreuungsangebote, für alle Altersklassen, für jeden Geldbeutel, stunden- oder tageweise, Voll- oder Teilzeit. Einen Platz bekommt man eigentlich immer. Berufstätige Mütter können ihr Baby in vielen Einrichtungen bereits ab einem Alter von sechs Wochen abgeben. Und das müssen sie auch, denn sonst ist ihr Job weg. Elterngeld? Noch nie davon gehört. Elternzeit? Gibt es nur selten und wenn, dann ist sie auf wenige Wochen nach der Geburt begrenzt. Unbezahlt natürlich.
Wie haben sich die Kinder, wie habt ihr euch als Familie eingelebt?
Wir leben jetzt seit fast vier Jahren in den USA. Mein Sohn ist hier geboren und kennt kein anderes Zuhause. Meine Tochter war bei unserem Umzug 1,5 Jahre alt und kennt Deutschland eigentlich nur noch aus kurzen Heimaturlauben. Hier ist unser Zuhause, hier fühlen wir uns wohl. Deutschland ist aber unsere Heimat, und das vermitteln wir den Kindern auch. Das Einleben an sich war für uns kein Problem. Mein Mann und ich wussten durch zahlreiche USA-Aufenthalte, was auf uns zukommt, und wir haben uns sehr auf die Chance gefreut, als Familie im Ausland zu leben. Bislang haben wir es keinen Tag bereut – außer als Deutschland Weltmeister geworden ist! Da wäre ich gerne in der Heimat gewesen.
Würdest du wieder ins Ausland gehen?
Ja, aber nicht in jedes x-beliebige Land und nur für mehrere Jahre, damit man auch wirklich eine Chance hat, sich richtig einzuleben.
Aus der Ferne wirkt die Heimat oft ganz anders. Was vermisst du, was nicht?
Diese Frage stelle ich meinen Interviewpartnern auch und ich finde es immer wieder interessant, wie sich die Antworten ähneln. Persönlich vermisse ich die abendlichen Telefonate mit meinen Freundinnen, die Möglichkeit, die Großeltern kurzfristig um Hilfe bitten zu können, und Feiern, zu denen die ganze Familie zusammen kommt. Kulinarisch gesehen würde ich gerne mal wieder einen Dickmann essen und beim Bäcker ein dickes Stück Sahnetorte verdrücken. Was ich nicht vermisse: unfreundliche Kassierer an der Supermarktkasse, den typisch deutschen Pessimismus, das Wetter und Familienfeiern. Und zwar die, auf die man gehen muss, aber nicht will.
Woran musstet ihr euch erst gewöhnen?
An manche Dinge habe ich mich immer noch nicht gewöhnt: Zum Beispiel daran, dass hier jeder eine Waffe hat. Vielleicht nicht unbedingt gerade bei sich, aber auf jeden Fall zu Hause. Das macht mir immer noch Angst. Und wenn im Frühling wieder die Tornado-Saison beginnt, wird’s mir Jahr für Jahr mulmig. Ich kann die Situation jetzt zwar besser einschätzen, kenne zum Beispiel den Unterschied zwischen Watch (die Entstehung eines Tornados ist möglich) und Warning (ein Tornado wurde gesichtet), hoffe aber natürlich, dass wir unser Gäste-Bad – der einzige innenliegende Raum ohne Fenster – nicht zum Schutzraum umfunktionieren müssen.
Gehen Amerikaner anders mit Kindern um als Deutsche – oder kann man das überhaupt nicht verallgemeinern?
Ich glaube schon, obwohl mir der Vergleich fehlt, da ich nur 1,5 Jahre mit Kind in Deutschland gelebt habe. Hier sind Kinder auf jeden Fall immer und überall willkommen. In Restaurants gibt es zum Beispiel immer ein Kinder-Menü, Stifte oder anderes Spielzeug zum Zeitvertreib und ausreichend Hochstühle und booster seats.
Was sind die größten Kindervergnügen in Chattanooga?
Das Wetter! Von April bis Oktober findet das Leben draußen statt, im Planschbecken, im Garten, am Pool oder See. Und der Grill läuft auf Hochtouren. Darüber hinaus hat Chattanooga für Kinder eine Menge zu bieten: das Creative Discovery Museum, das Tennessee Aquarium, den Chattanooga Zoo und viele Seen, Wanderwege und Wasserfälle in nächster Nähe.
Plant ihr eine Rückkehr?
Unsere Rückkehr nach Deutschland ist für Sommer 2016 geplant, pünktlich zur Einschulung unserer Tochter. Ob’s wirklich so kommt, kann aber keiner sagen.
Herzlichen Dank für Deine Antworten, liebe Tina. Mehr Mütterfragebögen sind hier nachzulesen.
Fotos: Tina & Jack Fussell at www.flyinghousestudio.com or www.travelingmama.net