ER UND ICH UND WAS WIR NICHT UNBEDINGT VONEINANDER WISSEN MÜSSEN
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Ich soll hier etwas über Männertage schreiben. Die Tage also, an denen mein Mann sich nicht so recht fühlt. Eigentlich sollte ich schon gestern damit fertig sein. Stattdessen bin ich erst bei Satz vier. Das liegt daran, dass ich in einem Dilemma stecke. Wenn ich schreibe, dass der Mann an meiner Seite niemals unter Stimmungsschwankungen leidet, sage ich nicht die Wahrheit. Schreibe ich aber, wie es sich wirklich verhält, verstoße ich gegen das erste Gesetz unserer Langzeit-Beziehung, nämlich: Auch wenn wir schon 13 Jahre zusammenleben, Bett, Tisch und Fernbedienung teilen, müssen wir nicht alles voneinander wissen. Es muss auch noch ein paar Heimlichkeiten geben, letzte Refugien ungebremsten Wildwuchses im ansonsten ordentlich gemähten Rasen unserer Liebe.
Ordentlich gemäht ist ein gutes Stichwort. Er braucht zum Beispiel nicht zu wissen, dass ich mir aus Verpeiltheit (und Faulheit) manchmal nur ein Bein rasiere und am nächsten Morgen, wenn ich es unter der Dusche bemerke, beschließe, das jetzt so zu lassen, weil er es ohnehin nicht mitkriegen wird und außerdem Herbst ist. Er muss nicht wissen, dass sich hinter den gefrorenen Himbeeren in der ersten Schublade unseres Tiefkühlers nicht weitere gefrorene Himbeeren verstecken, sondern die heilige Dreifaltigkeit mitternächtlicher Eis-Ekstase: eine Dose Schokolade-Vanille-Karamel, eine Dose Schokolade und eine Dose Erdnussbutter mit Schokoladenteilchen, die mit Erdnussbutter gefüllt sind. Es geht ihn auch nichts an, dass ich mir nicht den einen oder den anderen Pullover gekauft habe, sondern beide, und den einen links hinten im Schrank unter seinen Sportsachen versteckt habe, bis er ihn wieder vergessen hatte. (Ich habe das übrigens nicht deswegen gemacht, weil ich zwei Pullover nicht vor ihm rechtfertigen könnte, sondern weil mir das selbst peinlich war. Ich habe nämlich ein Ringel-Problem und bereits zwei andere Ringel-Pullover im Schrank und die Ausrede, dass das jetzt aber ein total anderes Ringelmuster ist, weil die Streifen viel breiter sind und das Dunkelblau eher ein Nachtblau ist, vielleicht für ihn funktioniert, aber nicht für mich. Also begrabe ich das Beweisstück meiner Sucht unter einem Haufen Sportsachen, bis ich so weit bin, mir selbst zu erzählen, dass ich es ewig bereut hätte, diesen Pulli nicht zu kaufen, und es außerdem ein total anderes Ringelmuster ist.)
Blöd ist es nur, wenn man merkt, dass er sehr wohl alles mitkriegt (er ist schließlich er). Er lässt dann ganz nebenbei solche Sätze fallen wie „Das ist aber wirklich mal ein total anderer Ringelpulli, ist das Nachtblau?”. Oder ich komme morgens in die Küche und sehe die drei Eisbecher von letzter Nacht, stumme Zeugen meiner Orgie, 30 Zentimeter neben dem Mülleimer feinsäuberlich nebeneinander auf dem Fensterbrett positioniert. Und die Beine, nein, dazu schweigt er. Denn er ist ein Gentleman und weiß, wann er wirklich nichts zu wissen hat.
Ich hingegen habe selbstverständlich keine Ahnung davon, dass er nicht nur total angesagten EDM-Trap und B-Seiten-Raritäten von Prefab Sprout hört, sondern auch Whitney Houston. Über Kopfhörer und mit geschlossenen Augen (es muss so verdammt schwer sein, in Momenten wie diesen nicht „Don´t walk away from me, I have nothing, nothing, NOTHING, if I don´t have youuuuuuuu” zu grölen). Ich weiß nicht, dass sich unter seiner Tarnung als Food-Nerd, der genauestens über die Zubereitung von Masaman Currys und die subtilen Unterschiede mexikanischer Chillisorten Bescheid weiß, ein Kerl verbirgt, der Leberkäse liebt. Leberkäse, Sardinen, direkt aus der Dose, und fetttriefende Grillhühner aus obskuren Imbissbuden. Er guckt sich die „Rosenheim Cops” und „Bares für Rares” an, soziologische Studien, behauptet er, aber die dauern nun schon drei Jahre. Und ja, er mag Schaumbäder. Meine Schaumbäder. Also irgendwas in der Richtung: „Du bist stark” mit motivierender Wildkirsche oder „Winterträumerei” mit Zimt-Duft.
Und ach, die Männertage. Hat er nicht, nie gehabt. Es gibt einfach keine Tage in seinem Leben, an denen er ohne erkennbaren Grund französische Chansons hört, in denen ein Mann von den Qualen unerfüllter Liebe singt und ein Akkordeon sehr traurig ist. (Das, oder Whitney Houston. Oder Gisbert zu Knyphausens „Fick dich ins Knie, Melancholie”). Er liegt dabei nicht in motivierender Wildkirsche. Oder spricht davon, dass gestern noch alles gut war und heute alles mäh, als hätte jemand sein Herz in einen Schraubstock geklemmt und dann angezogen, nur ein ganz kleines bisschen, aber genau so, dass es elendig ziept. Er erzählt nicht davon, dass der Herbst ihn melancholisch macht und er beim Anblick der fallenden Blätter weinen könnte. Über die Blätter und die Welt und sich, vor allem über sich und ganz überhaupt. Und ich kann ihn stundenlang ansehen, ohne zu bemerken, dass er sich wieder meine Nougatschokoladenvorräte gemopst hat, um nun aus tieftraurigen Bernhardiner-Augen zu hundeblicken, im linken Mundwinkel noch einen letzten Krümel. Bis von einem auf den anderen Tag alles wieder so ist, wie es immer war, und er wieder er ist.
Die Liebe, heißt es, kann nur überleben, wenn man sich ein paar Geheimnisse bewahrt. Oder beharrlich so tut, als würde man sie nicht längst alle kennen.
// Dieser Beitrag ist im Rahmen einer bezahlten Kooperation mit MediaMarkt entstanden, für die ich gefragt wurde, über meine Erfahrungen mit Männertagen zu schreiben. Es handelt sich also um Werbung. Mehr zur Kampagne unter www.männertage.com//