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ANWESEND IM EIGENEN LEBEN: MARIANA LEKYS ZÄRTLICHER ROMAN „WAS MAN VON HIER AUS SEHEN KANN”

ANWESEND IM EIGENEN LEBEN: MARIANA LEKYS ZÄRTLICHER ROMAN „WAS MAN VON HIER AUS SEHEN KANN”

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Eigentlich wollte ich mir Dublin ansehen. Ich hatte einen Tag frei von allem, wie wir das manchmal machen, wenn wir gemeinsam in Urlaub fahren. Ich hatte eine Liste von Dingen und Orten im Kopf, die ich mir anschauen wollte. Doch im Zug in die Stadt hatte ich angefangen zu lesen. „Was man von hier aus sehen kann“, den Roman von Mariana Leky, von dem mir eine Freundin so vorgeschwärmt hatte. Ich hatte ihn am Tag vor dem Urlaub noch im Buchladen besorgt, weil ich nicht buchlos nach Irland fliegen wollte. Und dann las ich, wie ich schon lange nicht mehr gelesen habe. Ging von Café zu Café und las immer weiter. Ein Kaffee, ein Kapitel, eine Rosenwasserlimonade, noch ein Kapitel, noch ein allerletztes. Ich las immer weiter, statt mir Dublin anzusehen. Mit einem Hunger (und einer Sattheit), die ich beim Lesen schon lange nicht mehr empfunden habe, und dieser komischen Angst, dass das Buch irgendwann zu Ende gehen wird.

Es wäre leicht, „Was man von hier aus sehen kann“ mit einer Geschichte zu verwechseln, in der es um das Sterben und den Tod geht. Das liegt daran, dass Selma, die Großmutter von Luise, die sie erzählt, hin und wieder von einem Okapi träumt. Und jedes Mal, wenn das passiert, stirbt innerhalb der nächsten 24 Stunden ein Dorfbewohner. Im ersten Teil des Buches kommt der Tod – mit dem jeder rechnet, obwohl jedem klar ist, dass ein Okapi-Traum keine Todesfälle vorhersagen kann, der Tod, auf den sich jeder vorbereitet (mit Briefen, in denen ausgesprochen wird, was ein halbes Leben unausgesprochen blieb, mit Geständnissen von Fehltritten) und den manch einer, müde von seiner Langlebigkeit, sich sogar erhofft  – zum erste Mal nicht. Um mit fünf Stunden Verspätung umso grausamer zuzuschlagen.

Man hat an dieser Stelle des Buches exakt 100 Seiten lang mitgefiebert, mitgezittert und beim Lesen darauf gehofft, dass es niemanden von denen trifft, die man beim Lesen gerade erst kennengelernt und schon zu lieben begonnen hatte und ist schließlich erleichtert gewesen, dass alles nur Aberglaube gewesen ist, wie eh schon immer alle sagten. Doch dann holt der Tod sich jemanden. In einem einzigen Satz, man hat nicht damit gerechnet, im Leben nicht ausgerechnet mit diesem Tod.  

Sicher, es ist bloß eine Geschichte, da stirbt keiner in echt, wie ich es mir früher immer gesagt habe, wenn Filme mir zu traurig waren, aber ich saß da, in diesem Dubliner Frühstückscafé und weinte. Vielleicht erkennt man große Literatur ja auch daran, dass man vergisst, dass sie nicht echt ist, und einen die Tode, die jemand hineinschreibt, ins Innerste treffen. So hält man diesen Roman notgedrungen für ein Buch über den Tod.

Aber das ist es nicht.

Denn es geht in „Was man von hier aus sehen kann“ nicht ums Sterben, sondern ums Leben. Es geht darum, dass man anwesend sein soll. Sagen soll, was ist. Oder was nicht. Nicht wegrennen soll. Sich nicht klein machen. Davon erzählt Lekys Buch. Von den Toden im Leben, vom Aufschieben, Nicht-Eingestehen, Wegrennen. Der Optiker, der Selma hinterherschwärmt, so offensichtlich, dass es das ganze Dorf weiß, aber er schafft es einfach nicht, das Offenkundige zu sagen, Jahrzehnte lang nicht. Marlies, die immer nur rummufft und es sich bequem macht in ihrer Laune. Palm, der es vergeigt mit seiner Dauerwut auf alles, bis es zu spät ist. Und Luise selbst, die Erzählerin, mit ihrer Liebe. Sie alle haben ihre Gründe dafür. Und das Schöne und Zärtliche an diesem Buch ist auch, dass keiner von diesen Gründen und keiner von den Schissern, die dieses Buch bevölkern, jemals denunziert werden. Weil Leky eine erstklassige Versteherin ist, sie sie aber auch nicht davonkommen lässt. Am Ende müssen alle auspacken und sich entscheiden. Es geht schließlich um alles, um Leben und Tod, und Leky entscheidet sich fürs Leben. 

Ich weiß, das klingt jetzt alles kryptisch. Ich möchte nur nicht die Geschichte ausplaudern, die jemand anderer sich so unglaublich richtig ausgedacht hat wie Mariana Leky. Also lest doch einfach selbst (falls ihr es nicht schon getan habt). Wenn es euch so geht wie mir, werdet ihr viel weinen. Und dabei sehr lebensverknallt sein.

Mariana Leky: „Was man von hier aus sehen kann“, 320 Seiten, Dumont, 20€. Hier ist eine Leseprobe zu finden.

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